Aktualisiert am 19. Mai 2024.
Heute entlasse ich mein Projekt in die Welt. Wie es dazu kam.
Eine Nachbarin fragt: “Du nähst doch?”
Wenn du selbst handarbeitest, hast du die Frage sicher schon einmal so oder so ähnlich gehört. Schauderst du auch? Weckt die Frage auch bei dir unangenehme Vorahnungen? Meist kommt als nächster Satz nämlich etwas in der Art von: “Könntest du nicht diese Hose/ diesen Vorhang für mich kürzen; dieses Ballkleid ändern; diesen kaputten Reißverschluss austauschen?”
Vielleicht gehörst du ja zu den wenigen Hobby-Handarbeiter:innen, die tatsächlich gerne Kleidung für andere reparieren oder ändern. Aber die meisten in ihrer Freizeit vergnügt nähenden Hobby-Werker:innen verbringen ihre Freizeit lieber mit Dingen, die mehr Spaß machen als Flicken und Ändern.
Trotzdem erledigen viele Hobbyschneider:innen solche “Freundschaftsdienste”, zähneknirschend und unbezahlt, anstatt sich abzugrenzen und höflich “nein” zu sagen.
Ich denke, es liegt unter anderem daran, dass weder die hilfesuchende noch die handarbeitende Person weiß, an wen sie sich sonst wenden könnte oder an wen sie die Bitte weiterleiten könnte.
Ich sage: Den Hobbyhandarbeiter:innen ihre Freizeitfreuden und den gewerblichen Dienstleister:innen mehr Kundinnen! So haben alle was davon.
Ein E-Mail kommt: “Sie stricken doch?”
Seit bald sieben Jahren schreibe ich mit großer Freude den Handarbeitsblog made with Blümchen. Es ist ein sehr vielfältiger Blog: Ich nähe Kleidung, Taschen, Haushaltsdinge und Patchwork. Ich stricke, häkle und sticke, klöpple auch manchmal, und experimentiere gerne im Rahmen der Stoffspielereien. Der Blog ist mein Handarbeitstagebuch: Ein Ort, um über meine Projekte zu berichten und mich mit Gleichgesinnten über unsere gemeinsame Leidenschaft auszutauschen.
Ein bis zwei Mal im Monat erreichen mich Nachrichten aus dem ganzen deutschsprachigen Raum: “Für unsere Kinder-Karnevalsgruppe brauchen wir 16 Bibi-und-Tina-Kostüme. Könnten Sie die für uns nähen und wie viel würde das kosten?” Oder: “Mein Mann hätte gerne solche Zehensocken, wie Sie da zeigen. Er hat in zwei Wochen Geburtstag. Können Sie die für uns stricken, Größe 45?”
Jedes Mal schrieb ich dann zurück: “Tut mir leid, ich nähe nicht für andere./ Tut mir leid, ich stricke nicht für andere. Fragen Sie doch bitte in einem Handarbeitsgeschäft in Ihrer Nähe, ob die so etwas machen.”
Und dachte: Wie gern würde ich diese Menschen einfach direkt an eine:n Dienstleister:in in ihrer Nähe verweisen können, egal wo sie wohnen!
Die Grundidee des Textilportals war also reiner Selbstschutz. 🙂
In Zukunft kann ich nämlich einfach antworten: Schau nach am Textilportal, dort findest du die Dienstleister:innen in DEINER Nähe.
Glokalisierung
“Glokalisierung” ist ein Begriff aus der Sozialanthropologie, er beschreibt die Verschränkung des Globalen mit dem Lokalen. Also wenn man sich zum Beispiel eines globalen Instruments wie des Internets bedient, um lokale Initiativen sichtbar zu machen.
Im Unterschied zu ausschließlich lokalen Initiativen, die ein “hier bei uns” zelebrieren, ist es hier am Textilportal ziemlich gleichgültig, ob du in Buxtehude (Norddeutschland) oder in Leibnitz (Südsteiermark) zu Hause bist, in Hollabrunn (östliches Niederösterreich) oder in Basel (westliche Schweiz).
Wir denken nicht in Nationalstaaten und auch nicht in Regionen, sondern global. Wir starten das Textilportal für den deutschsprachigen Raum, einfach weil wir irgendwo anfangen müssen. Wobei regional immer da ist, wo du dich gerade befindest: Ob du dort dauerhaft lebst, auf der Durchreise bist oder deinen Urlaub dort verbringst. Später dürfen gerne auch andere Länder und Sprachen dazu kommen.
Ich habe diese Vision: Ich verbringe ein paar Tage beruflich in einer großen Stadt und denke: “Ach, ich hätte heute Abend Lust, gemeinsam zu stricken.” Und ich schaue am Textilportal nach, wo ein offener Stricktreff stattfindet. Oder ich bin irgendwo auf Urlaub, wo ich noch nicht war, und brauche dringend eine Nähseide. Ich schaue am Textilportal nach, und finde den nächstgelegenen Laden, der mir eine verkauft.
Die Informationen über textile Läden, Shops, Herstellende und Veranstaltungen führen wir am Textilportal zusammen und bereiten sie so auf (machen sie durchsuchbar), dass du das Gewünschte rasch und einfach findest, viel besser als wenn du Dr. Google anwerfen würdest. Wir nehmen den Anbieter:innen sozusagen die Optimierung ihres Angebotes für Suchmaschinen ab, indem sie hier nur die passenden Schlagworte auswählen müssen, die das Angebot im Laden oder die Dienstleistung charakterisieren. Das ist einfacher für die Anbieter:innen und treffsicher für die Suchenden, weil immer diejenigen Angebote zuerst angezeigt werden, die sich in kürzester Entfernung zum Standort des/der Suchenden befinden.
Also dient das globale Textilportal dazu, das Lokale hervorzuheben. Wo Regionaltität mehr zählt als ein hohes Google Ranking.
Was kommt
Meine Vision fürs Textilportal ist groß und umfassend, weil ich selbst auch so vielseitig textil interessiert bin.
Dies ist der Anfang der Reise des Textilportals. Die grundlegende Funktionalität habe ich programmiert: Man kann Betriebe eintragen und auch schon danach suchen. Jetzt gilt es, in den kommenden Wochen und Monaten das Portal nach und nach zu befüllen.
Derzeit gibt es die Abschnitte einkaufen (fpr Shops) und beauftragen (für Dienstleister:innen). Später kommen auch die Abschnitte „lernen“ (für Handarbeitskurse), „entdecken“ (für Ausflugsziele) und „Events“ (Messen, Ausstellungen, Märkte) dazu. Dazu das Textilportal-Magazin mit Berichten und Reportagen, und einen Newsletter, mit dem man sich später sogar über Veranstaltungen in der eigenen Region punktgenau informieren lassen kann.
Es ist ein Riesenprojekt – und genau meins! Ich liebe Datenbanken. Ich liebe das Sammeln, Aufbereiten, Zurverfügungstellen von Informationen. Und es ist ein Projekt, in dem ich mich auch noch in fünf und zehn und zwanzig Jahren sehe. Nicht allein, sondern gern im Team.
Der Anfang ist gemacht, jetzt darf das Textilportal wachsen.
Ich freue mich darauf!
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