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Caroline und die Miniaturstickerei – Vienna Petit Point (Podcast #038)

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Aktualisiert am 13. April 2025.

Die Kunst der Petit Point Stickerei erlebte ihre Blüte zur Zeit Maria Theresias in Wien. Heute gibt es noch genau zwei Firmen, die diese Tradition weiterführen. Ich habe mit Caroline Macholda-Zingel von Vienna Petit Point über Herausforderungen und Chancen in ihrem kleinen Unternehmen gesprochen.

„Petit Point“ ist Französisch, es bedeutet „kleiner Punkt“, was gleichzeitig alles und nichts über die Kunstfertigkeit sagt, mit der in früheren Jahrhunderten und bis heute vielfarbige Kunstwerke in Miniatur auf feinstes Seidengewebe gestickt werden.

WIE klein diese unglaublich feinen und detaillierten Stickereien werden können, finde ich atemberaubend. Das wirst du an meinen Reaktionen bemerken, wenn du dir die heutige Podcastfolge anhörst.

Die Kunst des Petit Point entstand ursprünglich am französischen Hof, wo die Frauen vorwiegend etwas gröbere „Gobelins“ stickten. Mit dem Wechsel der Generationen und Epochen wurden die Stiche immer feiner, die Fäden immer dünner und die Farben raffinierter. Im Barock gelangte diese Form der Handarbeit auch nach Österreich und wurde ein beliebter Zeitvertreib der Hofdamen. Das Wiener Petit Point erlebte seine Blütezeit im Rokoko, also zur Zeit Maria Theresias, und zeichnet sich durch besondere Feinheit und Farbenvielfalt aus. Noch heute dienen vorwiegend Stiche und Bilder aus dieser Zeit als Vorlagen und es sind vornehmlich französische und holländische Meister, die dem Wiener Petit Point sein typisches Aussehen gaben und bis heute geben. (Text von der „Vienna Petit Point“ Webseite.)

Caroline Macholda-Zingel führt die 1932 gegründete Firma, die heute „Vienna Petit Point“ heißt, in vierter Generation. Sie ist quasi im Betrieb ihrer Urgroßmutter und Großmutter aufgewachsen. Caroline hat eine Schul- und Berufsausbildung zur Elektrotechnikerin absolviert, und hat auch in diesem Beruf gearbeitet. Als aber dann die Übernahme der Firma angestanden ist, weil ihre Großmutter schwer krank wurde, war es für sie klar, den Familienbetrieb zu übernehmen.

Caroline betreibt die Firma als Einzelunternehmerin, neben einem Vollzeitjob als Technikerin. Sie hat ein großes Lager fertig gestickter Motive geerbt, die sie nach und nach zu Broschen fasst, und zu Taschen und anderen Accessoires selbst verarbeitet oder verarbeiten lässt. Für neue Auftragsarbeiten nach Kundenwunsch arbeitet sie mit Dienstleister:innen und Sticker:innen im nahe gelegenen Ungarn zusammen.

Carolines Elterngeneration hatte den Betrieb komplett auf Touristen aus Asien ausgerichtet. Die traditionellen Motive – prächtige Blüten und Blumenbouquets, oder Wiener Wahrzeichen wie Schloss Schönbrunn oder der Stephansdom – ziehen vor allem kaufkräftige Interessent:innen aus Fernost in ihren Bann. Als die Touristen aufgrund der Corona-Epidemie ausblieben, hätte das fast das Ende der Firma bedeutet.

Unter anderem deshalb hat Caroline in den letzten Jahre eine Trachten-Linie mit relativ günstigen kleinen Anhängern und Broschen kreiert, und bettet die feinen Stickereien in Kombination mit Kunstleder oder Leder in modernere Accessoires wie Taschen und Täschchen ein.

Kleine Broschen oder Anhänger gibt es schon ab 25,- Euro. Sehr aufwändige, großflächig und beidseitig bestickte Objekte können auch bis zu knapp 3.000,- Euro kosten.

Es folgt die im Podcast versprochene Bildergalerie, damit du dir das Ganze besser vorstellen kannst.

  • 00:01:03 Firmengeschichte, Mitbewerber, in den Betrieb hineingewachsen
  • 00:07:10 Die Herstellungsschritte: Stickerei – Montage – Fassung
  • 00:11:00 Kundenbasis und Auswirkungen von Corona
  • 00:13:12 Material: Seidengaze und Seidenfäden, Preise
  • 00:16:10 Moderne Anwendungen für alte Stickereien: auf- und umarbeiten, modernisieren
  • 00:18:20 internationale Kunden, Preisgestaltung und Wertschätzung von Handarbeit, Marketingkanäle
  • 00:22:07 Material und Motive, fertige Stickereien auf Lager
  • 00:24:54 Stickvorlagen als Firmenwert: Das „Heiligtum“ der Firma
  • 00:28:26 Die neue Kollektion, Anfertigungen auf Wunsch
  • 00:29:43 Eine klassische Clutch mit extrem feiner Stickerei
  • 00:31:15 Ein Beispiel sticken, individuelle Bestellung, Vorlagen entwerfen
  • 00:35:32 „Das Heiligste“: fertig gestickte Paneele im Lager
  • 00:37:56 Nachwuchsmangel im Handwerk. Aufgeben? Nein: Weitermachen!
  • 00:51:59 Abspann

00:01:03 Firmengeschichte, Mitbewerber, in den Betrieb hineingewachsen

Gabriele

Okay, also, wie war das? Ihr wart früher im neunten Bezirk.

Caroline

Genau. Wir waren im neunten Bezirk. Meine Urgroßmutter hat die Firma 1932 gegründet. Das ist die Vilma Frankl-Mihalek. Und so hieß die Firma früher. Und wurde auch drei Generationen so geführt. Und ich habe sie dann übernommen, habe sie aber umbenannt, damit die Leute wissen, was wir eigentlich machen. Weil nur mit dem Namen war das nicht ersichtlich. Daraufhin habe ich das halt auf „Vienna Petit Point“ umbenannt. Und ich bin hierhergezogen in den 15. [Bezirk], weil ich hier um die Ecke wohne und es für mich leichter war, anstatt immer in den Neunten [Bezirk] zu fahren und das Ganze zu machen. Und meine Oma ist krank geworden, kam ins Heim und ist dann leider auch verstorben. Und somit war der Bezug auch nicht mehr gegeben, dorthin zu fahren, sondern habe ich lieber bei mir und im kleineren Stil.

Gabriele

Verstehe. Das heißt, verstehe ich es richtig, Du bist allein hier? Oder hast du Mitarbeiterinnen?

Caroline

Ich bin alleine hier. Ich habe eine Dame auf Werkvertrag, die die Handtaschen zusammennäht, weil ich das Taschenhandwerk noch nicht kann. Das ist auch ein recht aussterbendes Gewerbe.

Gabriele

Ja, Taschner.

Caroline

Genau. Und bin aber dabei am Erlernen, das zu machen. Also einfache Taschen wie Zipp-Kosmetiktaschen kann ich schon. Aber die aufwändigen mit den Bügeln, und Leder innen, die hochwertigen traue ich mir einfach nicht zu. Weil mir das Material zu schade ist, wenn man da was kaputt macht.

Gabriele

Ja und ich denke mir auch: Deine kunstfertigen Miniteilchen, wenn dann die Tasche nicht dazu passt und denselben hohen Standard hat, das muss schon zusammenpassen.

Caroline

Genau das muss zusammenpassen. Es ist zum Beispiel auch der Bügel: Das sind alles Antik-Bügel. Weil die Leute, die die Bügel gefertigt haben, gibt es auch nicht mehr. Das war ein Handwerk, was hauptsächlich in Deutschland gemacht worden ist, wo ich jetzt noch auf Flohmärkten oder über Ebay: „Habe von meiner Oma im Keller Bügel gefunden. Die hat dort in der Manufaktur gearbeitet“, oder so was. Mir das dann zusammenhole und versuche, die richtige Tasche zum richtigen Bügel zu finden. Oder umgekehrt.

Gabriele

Verstehe. Ich habe ja vorher die andere Firma, Maria Stransky bzw. Familie Leitner angeschrieben, die haben glaube ich eine Werkstatt im 15. Bezirk. Das hat sich angehört nach etwas Größerem mit mehreren Leuten. Ich glaube, ihr seid jetzt zwei Manufakturen in Wien. Stimmt das?

Caroline

Ja. Wir sind sogar zwei Manufakturen auf der Welt, weil das gibt es nur mehr in Wien und das ist ein Wiener Traditionshandwerk. Natürlich gibt es noch Heimarbeiterinnen oder Hobby, die das machen. Aber verkaufstechnisch, Manufakturen gibt es halt nur uns beide. Weil die Firma Kovacek auf der Kärntner Straße, die hat mit November zugesperrt. Mit denen bin ich aber auch befreundet, mit der Familie, also eine jahrelange Zusammenarbeit. Mit Maria Stransky und der Familie Leitner habe ich nicht so viel Kontakt. Die haben ein Geschäft in der Hofburg.

Gabriele

Ja, sehr prominent.

Caroline

Genau. Die Werkstatt habe ich auch gehört im 15. Und ich glaube, die haben auch zwei, drei Mitarbeiter, die das machen. Ich mache alles alleine, im Moment.

Gabriele

Wow!

Caroline

Wir hatten aber früher fix Angestellte. Das war aber in der Hoch-Zeit 1980, 1970, da ging das. Aber es hat dann halt aufgehört, Petit Point. Und ich versuche jetzt, das ins Moderne zu ziehen. Also trotzdem traditionell zu bleiben, mit den Stickereien und den Farben, aber vielleicht doch mal irgendwie einen Eyecatcher: ein anderes Material, eine andere Farbe, eine andere Form, das irgendwie so zu konstruieren.

Gabriele

Also dieses Petit Point, so wie ich das kenne, sind das hauptsächlich Blümchen und Bouquets, auf so Kosmetiktascherl oder irgendwelchen Pillendöschen. Weil es ist ja wahnsinnig klein. Von wem hast du das gelernt?

Caroline

Ich hatte meinen Kindergarten neben der Firma von meiner Oma. Meine Mama hat gearbeitet und meine Oma hat mich abgeholt, und ich bin in der Firma groß geworden. Ich sitze schon seitdem ich sechs Jahre bin eigentlich in dem Geschäft. Und es hat mich immer interessiert. Und ich habe dann irgendwann einmal angefangen, die Montage zu lernen. Und Sticken und Stricken lernt man in der Schule.

Gabriele

Oder hat man damals gelernt.

Caroline

Hat man damals gelernt. Und ich hab dann halt das Sticken auch noch im Geschäft gelernt. Hab dann aber… Ja. Also es war irgendwie nie der Punkt, dass ich die Firma übernehmen werde. Ich bin dann aber in die Technik gegangen und hab halt eine HTL [Höhere Technische Lehranstalt; eine österreichische Schulform mit Berufsausbildung] gemacht.

Gabriele

Welchen Zweig?

Caroline

Elektrotechnik.

Gabriele

Ah, wow.

Caroline

Und bin dann auch in die Technik gegangen. Es war dann halt so, dass meine Oma krank geworden ist und ich immer mit meiner Mama gemeinsam das eigentlich schon gemacht habe. Nach Salzburg gefahren, Kunden betreut. Und dann hat sich halt ergeben, dass ich montiert habe, weil wir keine Montage mehr gehabt haben. Neben der Schule, am Wochenende. Und irgendwann einmal war meine Oma so krank, dass es darum ging, wer die Firma übernimmt. Und dann ist der Punkt halt auf mich gefallen, weil ich immer schon mitgearbeitet habe und das eigentlich haben wollte.

00:07:10 Die Herstellungsschritte: Stickerei – Montage – Fassung

Gabriele

Und das auch nicht abgeben wolltest mit dem Ganzen. Ja, okay. Du hast jetzt schon zwei-, dreimal gesagt „Montage“. Ist das ein Schritt in diesem Produktionsprozess, ist die Montage. Welcher Schritt ist das?

Caroline

Der mittlere. Also, wir haben die Stickerei. Ich mache Einzelanfertigungen, das heißt Monogramme. Wenn ein Kunde zum Beispiel das bestellt und nur ein Stück. Ansonsten haben wir Heimarbeiterinnen. Oder wir haben eine Firma, mit der wir schon seit Jahrzehnten zusammenarbeiten, die viele Heimarbeiterinnen haben und die das für uns organisieren, dass das gemacht wird.

Gabriele

Sind die auch in Wien zu Hause oder woanders?

Caroline

Leider nein, mittlerweile in Ungarn. Weil in Wien gibt es nur mehr fünf, sechs Stickerinnen, und die sind schon in der Altersklasse über 75.

Gabriele

Okay, verstehe.

Caroline

Leider will es keiner machen, weil man keinen Stundenlohn dafür bekommt, sondern man wird pro Stich bezahlt.

Gabriele

Okay, das ist so ähnlich wie bei den Strickern: Da ist es ja auch so, dass man pro Masche bezahlt wird. Also pro Muster gibt es eine gewisse Anzahl Maschen pro Stunde, die man erreichen soll, oder die angenommen wird. Und dann wird man danach bezahlt, wie viele Maschen man gestrickt hat, oder in dem Fall wie viel Stiche gestickt.

Caroline

Da liegt halt das Problem. Also es machen zwar, was ich so auf Instagram und Facebook gesehen habe, ein paar Leute zu Hause für sich. Aber dass man sagt: „Komm! Stick bitte 15 Mal dieselbe Rose für mich“, will eher keiner. (lacht) Aber in Ungarn ist halt das Handwerk noch gegeben. Und somit ist es möglich. Weil ich versuche, wenn ich es nicht in Österreich schaffe zu produzieren oder produzieren zu lassen, zumindest in Europa zu bleiben.

Gabriele

Also so nah wie möglich zumindest. Und von Wien ist ja Ungarn nicht so wahnsinnig weit entfernt.

Caroline

Salzburg ist weiter, würde ich sagen.

Gabriele

Ja, oder Vorarlberg. Okay, also der erste Schritt ist die Stickerei. Der zweite ist dann die Montage. Das heißt, da wird diese Stickerei auf irgendetwas anderem befestigt. Ich hab da eh. [entfernt sich, es raschelt] Das ist so ein Pillendöschen.

Gabriele

Oooh! Das ist ja unglaublich. Das ist der volle Wahnsinn, bitte.

Caroline

Da gibt es dann das passende Plättchen zu der Brosche. Und dieses Plättchen wird dann in schwarz oder weiß lackiert. Vielleicht habe ich ein lackiertes da? Das mache ich aber immer nur nach Bedarf. Und dann wird die Stickerei aufgezogen. Das ist dann die Montage. [Foto 02]

Gabriele

Ah verstehe. Das heißt, das wird dann hinten auch festgeklebt, sodass das gut hält auf dieser Brosche.

Caroline

Da ist das lackierte Plättchen, und da kommt dann die Stickerei und dann passt sie da auf so eine Nadel drauf.

Gabriele

Oder auf so eine Brosche.

Caroline

Und ich habe jetzt das so gemacht, dass ich die Plättchen vorbereite und nach Bedarf, wenn der Kunde bestellt, das in die Fassung gebe. Weil ich zum Beispiel die Fassung mit dem Filigranrand habe. Ich habe aber das Ganze auch ohne. Und das [Plättchen] passt aber in beide rein. Und das Ganze habe ich in Gold und Silber. [Foto 08]

Gabriele

Somit kannst du dann je nachdem, was er braucht, [das zusammenstellen]. Das zweite ist die Montage und der dritte Schritt?

Caroline

Ist dann, das Plättchen in die richtige Fassung zu bringen.

Gabriele

Okay, verstehe.

Caroline

Und das sind für mich die drei Schritte, die es gibt.

00:11:00 Kunden, und dann kam Corona…

Gabriele

Und die Kunden? Also Kunden in Salzburg?

Caroline

In der Zeit von meiner Mutter hatten wir sehr viele Kunden in Salzburg, in der Stadt. Die aber dann auch peu à peu leider uns weggebrochen sind. Als ich die Firma übernommen habe, 2016, hatten wir einen Großkunden gegenüber von der Staatsoper. Ein japanisches Souvenirgeschäft, der mich leider dann zu Corona-Zeiten, zwei Wochen nach dem ersten Lockdown, mit Konkurs überrascht hat.

Gabriele

Oje.

Caroline

Und dem schönen Konkursverfahren, wo man nach zweieinhalb Jahren nicht einmal… Also was waren es: 0,5 %? Also Corona hätte uns fast umgebracht.

Gabriele

Und du hast auch nicht deine Ware zurückbekommen, die bei ihm war?

Caroline

Doch, die Kommissionsware habe ich zurückbekommen. Aber er hat natürlich in den letzten zwei Tagen, bevor er Konkurs angemeldet hat, noch Bilder um 2.500 € verkauft. Oder verschenkt. Sie waren halt nicht mehr da.

Gabriele

Bitter. Okay. Schön, dass es dich noch gibt!

Caroline

Also wie gesagt, Corona hat glaube ich jeden Selbstständigen getroffen. Aber für so Kleingewerbe wie mich ist es halt glaube ich sehr sehr schwierig gewesen. Also de r Härtefallfonds war nur dafür da, um die Miete zu bezahlen, nicht um mich zu bezahlen.

Gabriele

Und deshalb hast du jetzt wieder einen anderen Job gesucht.

Caroline

Genau, und deswegen habe ich mir dann einen anderen Job gesucht und macht das [Petit Point] halt jetzt nebenberuflich, selbstständig. Darum auch manchmal etwas chaotisch.

Gabriele

Und super, dass du es noch machst. Du hast schon gesagt, dieses Material hast du zum Teil von deiner Großmutter übernommen, aus dem Geschäft, aber jetzt auch von der Familie, oder von der Firma Kovacek.

00:13:12 Material: Seidengaze und Seidenfäden, Preise

Gabriele

Auf welchem Material stickst du da? Oder stickts ihr da? Was ist das?

Caroline

Ich zeig dir das. [Entfernt sich, geht ins Lager] Also, das ist ein Seidengaze, nennt sich das. Da hat man ein Raster drauf. Und die Stickvorlagen haben auch ein Raster. Und jeder Punkt auf der Stickvorlage ist ein Stich.

[Foto 04]

Gabriele

Es ist im Grunde eine Gobelin-Stickerei, oder? Weil es wird kein Kreuzstich gemacht, sondern nur eine Diagonale.

Caroline

Genau, richtig. Wir haben einen halben Kreuzstich um 45 Grad versetzt. Man muss halt zählen.

Gabriele

Ich bin eine alte Stickerin, aber ich weiß nicht, ob ich das [so winzig] so unbedingt sticken wollen würde. Und ich habe ein bisschen recherchiert, natürlich. Die gibt es ja in unterschiedlichen Dichten? Bis zu 2000 Fäden, glaube ich, pro Square-Inch, oder so was?

Caroline

Nicht ganz. Wir haben neuner Gaze, das ist so in Richtung Gobelin. Wobei Gobelin noch grober ist. Und wir arbeiten, das Feinste sind 19er Gaze, das heißt 19 mal 19 Stiche auf einem Quadratzentimeter. Das sind dann die 361 [Stiche pro cm2]. 21er Gaze ist verboten worden, weil es gesundheitsschädlich für die Augen ist. Wenn du anschaust, das ist so mini, man kann es einfach nicht sticken.

 [Fotos 05+06]

Gabriele

Also ich vor allem, ohne Brille geht nimmer.

Caroline

Und man kann es auch nicht bezahlen. Also eine Handtasche 19er Gaze Doppelseite kostet bei mir 2.700 €.

Gabriele

Okay.

Caroline

Ich weiß nicht. Louis Vuitton wird gezahlt 10.000 € aufwärts. Bei Handarbeit ist man vielleicht etwas weniger freudig zu zahlen, manchmal.

Gabriele

Du solltest eine Kooperation mit Louis Vuitton eingehen.

Caroline

Vielleicht. Wenn ich „LV“ sticke.

Gabriele

Das Problem ist halt, dass Louis Vuitton dann seine Marge nicht drauf hat, die er sonst hat.

Caroline

Wahrscheinlich. Und es ist einfach nicht bezahlbar. Viele Leute machen sich bei der 19er Stickerei dann kleine Emblems auf eine große Handtasche. Oder ich hatte mit einem jungen Mädchen, die war so begeistert, die hat das dann über vier Monate abbezahlt. Ist auch okay, verstehe ich voll und ganz. Sie wollte es unbedingt haben. Die Tasche war bei mir. Sie wollte nicht einmal die Tasche haben. Sie hat das auf vier Mal abbezahlt, und dann kam sie ganz glücklich und hat ihre Handtasche abgeholt. Aber ich finde das nett. Und was ich jetzt eigentlich versuche zu machen… Da siehst du es gestickt.

Gabriele

[begeistert, atemlos] Meine Güte! [so winzig] Ja? Was du versuchst zu machen?

00:16:10 Alte Stickereien auf- und umarbeiten, modernisieren

Caroline

Ich möchte gerne… Viele Leute haben alte Stickereien von ihrer Oma und von ihrer Mama, oder wie auch immer. Und finden das aber altmodisch und tragen es nicht. Aber es ist ein Andenken, was man nicht wegschmeißt. Und ich habe zum Beispiel jetzt auch mir [für mich selbst] entworfen, aus einer alten Stickerei: zerlegt und einen Shopper draus gemacht. Weil ich brauche große Handtaschen. Ich habe ein Kind, da muss Feuchttücher, Quetschi und Co rein.

Gabriele

Für Gobelins gibt es einige Firmen, die das machen. Die diese Gobelins, diese Stickbilder – die Spanierin, die Flamenco-Tänzerin klassisch, oder meine Mutter hat zu Hause einen Tut-Ench-Amun. Oder so Stilleben – diese Bilder nehmen und auf große zum Beispiel Badetaschen drauf machen. Und die Bilder auch teilweise kombinieren. Das ist das eine, was ich gesehen habe. Und das andere ist Polstermöbel beziehen damit.

Caroline

Das kenne ich auch.

Gabriele

Also das würde ich jetzt mit den feinen Stickereien nicht tun. Aber diese schwarze Tasche ist ja wunderschön. So kann man das echt wieder tragen. [Foto 07a- Shopper]

Caroline

Ja, finde ich auch. Wir haben auch lustige… Ich habe jetzt auch bunte Farben gemacht. Also das sind unsere Kosmetiktaschen.

Gabriele

Ja. Meine Güte. Oh, mein Gott. [Ausrufe des Entzückens ob der Winzigkeit der Stickereien]

Caroline

Das ist 15er Stickerei. Also, das sind 225 Stiche [pro Quadratzentimeter]. [Foto 7b Kosmetiktasche]

Gabriele

Also so was kenne ich halt dann eher, dass jemand. Ich komme so aus dem Hobbyschneider-Bereich und Hobby-Näherinnen-Bereich. Und ist es dann eher, dass man ein Webband draufnäht, zur Verzierung. Aber mit so was Feinem, unglaublich!

Caroline

Aber das ist halt Kunstleder. Und wir haben jetzt Filz ausprobiert, innen. Und ich finde das eigentlich sehr lieb und auch pflegeleicht.

Gabriele

Das ist sehr hübsch, ja. Und wie viel kostet so ein Täschelchen, mit diesem Feinen bei dir?

Caroline

Das große kostet 89,- und das kleine 59.-.

00:18:20 Kunden, Preise, Marketingkanäle

Gabriele

Das ist voll in Ordnung, finde ich. Wenn man nämlich so was will und diese Handarbeit schätzt, und sagt: „Das ist es mir auch wert, das zahle ich.“ Dann finde ich es fast ein bisschen günstig. Aber das muss erstmal jemand zahlen. Und es heißt Ihr habt… Wer ist das, der eine Tasche um 2.500,- € kauft?

Caroline

Ich hatte jetzt vor Kurzem eine Dame da, die mich über Instagram gefunden hat. Aus Taiwan. Früher waren es… Meine Mama, oder meine Oma und mein Opa haben alles auf japanische Touristen eigentlich aufgebaut gehabt. Und durch Corona musste ich irgendwas anderes finden. Es gab keine Touristen mehr? Was mache ich jetzt? Und habe eine Trachtenlinie entwickelt. Und habe mir gedacht, okay: Salzburg, Trachten, Steiermark. Und hab halt in die Richtung gearbeitet. Habe aber immer noch das Traditionelle belassen. Und ich habe auch die Taschen online, damit man weiß, dass es das gibt. Jetzt zum Beispiel habe ich eine Anfrage von Columbia [USA] für eine Handtasche. Also es ist ganz unterschiedlich, wer mich anschreibt. Ich war auch ganz erstaunt, wer eigentlich jetzt die Leute sind, die sich dafür interessieren. Also ich habe junge Leute aus der Steiermark, die das fürs Dirndl wollen. Ich habe viele aus Bayern gehabt.

Gabriele

Ich denke, das ist so eine Nische. Das ist so was Besonderes und Spezielles. Wenn du da das kaufkräftige Publikum findest, die bereit sind, das zu zahlen, das ist das Beste, was passieren kann.

Caroline

Ich habe eigentlich eh auch eine günstige Linie, klingt jetzt blöd. Also „günstig“ ist es ja eigentlich nicht, weil die Qualität schon gegeben ist. Und meine Broschen und meine Ketten liegen bei 25,- bis 35,- Euro. Weil nicht die ganze Fläche ausgestickt ist, sondern nur die Rose gestickt ist, und man ja eigentlich pro Stich zahlt. Mein Metall beziehe ich aus Enns [Oberösterreich], auch aus einer Manufaktur. Das ist vergoldet und versilbert. Also es ist qualitativ gut, hochwertig, aber vom Preis her: Ich muss ja nicht die Marge von Louis Vuitton haben, sage ich jetzt einmal.

Gabriele

Ich mein: Du könntest. [lacht] Dann könntest du vielleicht wieder Vollzeit davon leben. Nein, ich verstehe schon.

Caroline

Und ja. Ich sage jetzt einmal, es soll… Wenn jemand das haben möchte, so wie das junge Mädchen, dann ist man auch bereit, drei vier Monate was abzusparen oder so was. Es ist halt, wie du sagst, eine Nische. Und meine Friseurin hat das sehr nett formuliert: Die Leute wissen nicht, dass sie nach Petit Point suchen sollen. Das ist das Problem, glaube ich.

Gabriele

Richtig. Das ist das Problem bei den Suchmaschinen: Wie bereitest du deine Sachen auf, so dass die Leute zu dir finden?

Caroline

Da ist hauptsächlich Instagram die Möglichkeit. Ich bin auf Facebook und Instagram, leider mehr schlecht als recht.

Gabriele

Das kostet einfach auch Zeit.

Caroline

Genau. Und Zeit habe ich nicht. Oder wenig.

Gabriele

Du hast viel, aber keine Zeit.

Caroline

Genau. Ich habe viel, aber keine Zeit. Und ja, ich versuche halt schon… Ich war jetzt am Belvedere, sechs Wochen, beim Weihnachtsmarkt. War auch sehr anstrengend. Mit einer Freundin zusammen. Da haben wir eine Kooperation gemacht, und haben uns den Stand geteilt, was recht angenehm war.

00:22:07 Material und Motive, fertige Stickereien auf Lager

Gabriele

Ja, okay. Also… Das Material. Du hast gesagt Seidengaze. Und die Fäden sind dann auch Seidenfäden?

Caroline

Sind auch Seidenfäden. Die werden dann aufgedröselt, genauso wie du das gerade machst.

Gabriele

Da stickst du nur mit einem Faden, wahrscheinlich.

Caroline

Und du stickst nur mit einem Faden, genau. Außer beim Füllen, da nimmt man dann zwei, drei. Also wenn ich eine volle Fläche habe, so wie da das Weiße.

Gabriele

Mhm. Damit es nicht durchschimmert.

Caroline

Genau, damit es nicht durchschimmert. [Entfernt sich in den anderen Raum] Weil das meiste wird doch auf weißem Gaze gestickt. Das sind meine Musterkoffer. Da. Das wollte ich dir zeigen. Die ist voll gestickt. [Foto 09: Brosche mit Rose]

Gabriele

Ja, verstehe. Ja.

Caroline

Und da stickt man dann mit schwarzem Dreifachfaden oder Zweifachfaden. Ich kann dir die kleinste Stickerei, also das kleinste Muster zeigen, was wir haben. Eine Rosenknospe. [Foto 10]

Gabriele

Eine Rosenknospe. Das ist das Muster auf den Trachtenjacken. Ich glaube, meine Schwiegermutter hatte so ein Poloshirt oder so was. Und davon hast du jetzt auch noch ganz viele im Lager.

Caroline

Von den Bändern habe ich noch ganz viel im Lager, wobei ich 400 Kilo Seidenfäden verkauft habe.

Gabriele

Ja? Einfach weil es zu viel war?

Caroline

Weil es zu viel war. Es war einfach zu viel. Also meine Oma hatte 180 Quadratmeter Verkaufs- und Produktionsfläche. Und wir sind jetzt auf 40. Runtergestockt.

Gabriele

Ich wollte gerade sagen, es schaut nach 40 aus.

Caroline

Wobei die Seidenfäden-Kisten unten im Keller liegen.

Gabriele

Die Seidenfädenkisten liegen im Keller. Soweit ich weiß, wird auch Seide, also zumindest Seidengarne zum Nähen, die werden mit der Zeit auch brüchig manchmal? Wenn man nicht aufpasst. [Wenn sie auf Dauer starkem Sonnenlicht ausgesetzt sind.] Aber das ist bei denen nicht der Fall.

Caroline

Finde ich nicht. Was ich auch sehr schön finde, vielleicht liegt es an der alten Qualität. Also die [diese Stücke] sind glaube ich sogar älter als ich.

Gabriele

„Baumstämme“ steht da drauf. [Foto 11]

Caroline

Ja, die Farben sind die Nummern auf dem Tablett [auf der Vorlage]. Also bei den anderen [Vorlagen] gibt es welche mit Nummern, damit man die Nummern sieht und weiß, was man damit näht. Und das [mehrere Stränge Seiden-Stickgarn] ist dann immer so gebündelt. Ich habe auch unten [im Keller] ein ganzes Bündel: „Das ist die Handtasche XY.“ Und das [diese Kombination verwendest du dann zum Sticken einer Tasche].

00:24:54 Die Vorlagen: Heiligtum der Firma

Gabriele

Okay. Und diese Vorlagen, woher habt ihr die? Weißt du das? Oder deine Großmutter?

Caroline

Die sind noch von meiner Urgroßmutter oder älter. Die kommen teilweise von 1870, um 1900 herum. Wurden von niederländischen Malern teilweise angefertigt und werden von Generation zu Generation weitergegeben. Also das ist eigentlich das Heiligtum der Firma.

Gabriele

Ja, das denke ich mir, weil das sind die ganzen Vorlagen. Das stimmt, das sieht man auch, dass diese Punkte da einzeln aufgemalt sind. [Foto 12]

Caroline

Und wenn du dir anschaust: Das ganze Ladenlokal.

Gabriele

Die ganzen 40 Quadratmeter.

Caroline

Die ganzen 40 m2 sind unten die Stickvorlagen. Also da sind alles zweireihig, dreireihig, die Blöcke mit unseren Stickvorlagen. [Foto 14]

Gabriele

Halleluja! Und da hast du einen Katalog, wo du nachschauen kannst.

Caroline

Nicht mehr. Also: Gab es eigentlich auch nie wirklich. Und dadurch, dass ich dann übersiedelt bin: Schweres Durcheinander. Weil meine Großmutter hat von einer vierten Firma, die es damals gegeben hat, alle Stickvorlagen gekauft. Die wurden einfach irgendwo reingesteckt. Und bei der Übersiedlung von den 180 Quadratmetern war auch keine Möglichkeit, da irgendwas zu machen.

Gabriele

Also weißt du eigentlich gar nicht, was drinnen ist, im Grunde?

Caroline

Im Groben und Ganzen. Es gibt, was ich so bemerkt und gesehen hab, was ich lustig fand. Krawatten-Vorlagen. Schuhvorlagen für Schuhe.

Gabriele

Aha, für Pantoffeln wahrscheinlich?

Caroline

Nein, Stöckelschuhe! Dass man einen Stöckelschuh überziehen kann. Also, da sind ganz viele Sachen. Die Sehenswürdigkeiten weiß ich, wo ich habe. Die habe ich mir alle rausgeholt.

Gabriele

Also so Stephansdom und solche Sachen oder was?

Caroline

Schönbrunn und Stephansdom, die sind etwas größer nämlich.

Gabriele

Das wäre ja mal eine Diplomarbeit, oder? Von jemand, der textil…

Caroline

 Dem langweilig ist?

Gabriele

Naja, also das zu katalogisieren und auch festzustellen, welche Motive kommen da vor, und solche Sachen.

00:27:11 Vorlagen verkaufen?

Caroline

Ich habe mir schon mal gedacht, weil mich Leute gefragt haben, ob ich Vorlagen auf Etsy verkaufe. Mit Garn und sowas. Ob ich in der Richtung mal arbeiten möchte.

Gabriele

Aber dann sind sie weg.

Caroline

Dann sind sie weg.

Gabriele

Dann sind sie weg, und dann hast du auch dieses Alleinstellungsmerkmal nicht mehr. Ich meine, na klar, man könnte sie ja auch digitalisieren und sagen…

Caroline

Nein, nicht die Vorlage weggeben! Sondern wirklich, wie du sagst, digitalisieren und digital weggeben. Aber dann habe ich halt auch mein Recht hergegeben.

Gabriele

Richtig.

Caroline

Ja. Müsste man sich vielleicht mal ein, zwei Vorlagen raussuchen, die nicht so tragisch sind. Vielleicht kleine Röschen.

Gabriele

Ja, ich kann mir vorstellen, dass es einen Markt dafür gibt.

Caroline

Aber der ist noch kleiner als der Markt für Petit Point.

Gabriele

Na, das weiß ich gar nicht. Weil gerade gerade Sticken, Handsticken liegt ja gerade voll im Trend. Also sei es jetzt die japanische Sashiko, wo du eigentlich im Grunde nur mit einem weißen Vorstich auf dunkelblauem Stoff geometrische Muster stickst. Also Goblins jetzt weniger, aber ganz viel so Blumenbouquets, mit diesem Margeritenstich,

00:28:26 Die neue Kollektion, Anfertigungen auf Wunsch

Caroline

Dann machen wir mit der „Führung“ weiter. Der erste Gang ist die fertige Ware, die ich habe. Das ist genau, wo du gerade hinschaust. Das ist die neue Kollektion, die ich jetzt entworfen habe. Also das ein bisschen Modernere. Und ein bisschen praktisch, in der Richtung. Und andere Stoffe ausprobiert habe ich. Filz. Und auffällige Farben. [Fotos 15+16]

Gabriele

Okay, ja, und auch so knallig. Ein bisschen mit Pink und Blau.

Caroline

Pink war die Farbwahl meiner Tochter, als wir einkauften.

Gabriele

Schön! Man soll sich unbedingt von den Kindern auch inspirieren lassen.

Caroline

Sie darf hier werken. Hin und wieder finde ich dann mal Broschen in irgendwo was Anderem. Aber ich bin voll und ganz dafür. Das ist dann die moderne, etwas teurere Variante, weil die ist mit Echtleder.

Gabriele

So eine Clutch. Voll süß.

Caroline

Genau. Da haben wir mal für Japan, für diese Anime-Bücher Einschläge gemacht. Also wir machen auch Anfertigungen für… Wart amal.

Gabriele

So ein Buchumschlag

Caroline

Wir machen auch Anfertigungen, wenn jemand irgendeine Idee hat oder irgendwas umsetzen möchte.

Gabriele

Kann man sich auch was wünschen bei euch.

00:29:43 Eine klassische Clutch mit extrem feiner Stickerei

Caroline

Genau. Und dann haben wir halt die klassischen. [Foto 18+19 ]

Gabriele

Aber das ist ja der volle Wahnsinn! Ich mein, sowas ist ja unglaublich! [Foto klickt]

Caroline

Da ist der Bügel halt auch eine irrsinnige Kostenfrage, weil die sind handgefertigt.

Gabriele

Ja, hast du gesagt. In Enns, hast du gesagt.

Caroline

Nein, meine Broschen und meine Anhänger. Die Bügel bekomme ich von Ebay, halt nur antik.

Gabriele

Okay, versteh.

Caroline

Weil die sind handgehobelt. Mit einer Laubsäge wird das ausgehobelt und dann händisch graviert.

Gabriele

Okay, da haben wir die Graveure dabei. Ich glaube, es gibt nicht mehr besonders viele Graveure. Hauptsächlich für Gewehre gibt es Graveure.

Caroline

Also es gibt diese klassischen Bügel bekommt man noch, vielleicht… Da sieht man eh den Unterschied zwischen Guss und Hand[gefeilt]. Und ich finde, das schaut einfach…. Also, da bleibe ich dann lieber auf so was. [Sie nimmt lieber die aufwändigeren Bügel als die, die billiger aussehen].

Gabriele

Bevor du sowas nimmst. Okay, verstehe.

Caroline

Und da hast du halt den Unterschied zwischen 15er Stickerei.

Gabriele

Oh mein Gott!

Caroline

Und 19er. Und da [bei dieser Tasche] liegen wir halt, dadurch, dass sie doppelseitig verarbeitet ist, mit Rand, bei zweieinhalbtausend Euro.

Gabriele

Okay! Also ich sticke tatsächlich sehr gerne, aber ich glaube, das. Da muss man wahrscheinlich dann mit Lupe arbeiten, oder? Das geht ja gar nicht anders.

00:31:15 Ein Beispiel sticken, individuelle Bestellung, Vorlagen entwerfen

Caroline

Da gibt es extra Sticklupen, die man sich umhängt. Wobei ich eher ungern mit Lupe sticke. Ich sticke lieber ohne. [Foto 22]

Gabriele

Da hast du aber noch gute Augen.

Caroline

Ja, das hat… Also Brille brauche ich auch. Aber Lupe verfälscht mehr. [kichert]

Gabriele

Aber im Grunde machst du einen halben Kreuzstich, oder? Also quasi diagonal jeweils über eine Kreuzung drüber.

Caroline

Genau. Ja, Und man fängt mit der Blume an! Und macht dann die Füllung.

Gabriele

Okay. Also ja, verstehe.

Caroline

Darum sind da die Blumen. Man fängt immer… Und viele haben mich gefragt: wie lange dauert eine Blume? Schwierig zu sagen. Weil ich mache zehn Mal denselben Stich von derselben Blume. Dann mache ich zehn Mal denselben Stich von der anderen Farbe. Damit ich nicht immer zählen muss. Oder damit ich weiß: Okay, der [Stich] rechts davon ist gelb, der [Stich] links davon ist grün. Man macht immer eine Farbe. Also, ich mache das ganze Weiße. Dann mache ich das ganze Gelbe. Und dann erst zum Schluss mache ich die Füllung von dem Ganzen.

Wenn sich ein Kunde bei uns eine Vorlage aussucht, die ich nicht fertig habe, muss er bis zu einem halben Jahr warten. Oder wenn jetzt irgendwas Aufwändiges entworfen wird für ihn, sind Wartezeiten bis zu einem halben Jahr, weil eine Handtasche bis zu einem halben Jahr Stickzeit braucht. Wenn ich das Muster selber entwerfen muss, kann es noch länger dauern, weil ich erst diese Stickvorlage anfertigen muss. Und das ist schon recht aufwändig. Also für ein ganz normales Monogramm mit zwei Buchstaben bin ich gesessen, sicherlich einen halben Tag, bis es dann so gesessen hat. Dadurch, dass es ja ein halber Kreuzstich nur quer ist, kann man nicht so die Kanten und Bögen hinbekommen, wie man gerne möchte.

Gabriele

Ja, okay. Ich überlege gerade: Es gibt so einige Programme, die Vorlagen verpixeln. Das heißt, man tut das Foto rein, und kann sogar bei manchen – die sind extra für Stickvorlagen gedacht – dass man sagt: mit den Garnen von DMC oder so, pixel mir das und sag mir dann, welche Garne ich brauche dafür. Und man kann sich sogar aussuchen, ob man 8 oder 16 Farben haben will. Wäre sowas eine Hilfe bei dieser Arbeit?

Caroline

Sowas wäre an sich eine Hilfe, bei der Arbeit. Ich weiß jetzt nicht, wie kostentechnisch das mit dem Programm sein wird, weil die werden da sicherlich auch [was dafür haben wollen].

Gabriele

4 Euro? Also das sind so Apps.

Caroline

Ja, ich habe ein Spiel, was sich Nonogramm nennt. Das ist ein „Kreuzworträtsel für Mathematiker“. Schwierig, da muss man aufgrund von Zahlen dann das Bild machen. Und ich nehme dieses Programm, leer, um mir dann die Vorlage zu erarbeiten.

Gabriele

Ja, ok. Mhm. Das heißt: Man findet dich auf Märkten. Man findet dich auf Instagram. Man kann bei euch fertige Dinge erwerben. Es gibt wahrscheinlich auch online einen Katalog oder so, wo man schauen kann.

Caroline

Wir haben einen Onlineshop. Oder man kann gerne mir schreiben, wenn man weiß, was man ungefähr möchte. Da schicke ich dann Fotos.

Gabriele

Genau und sagen:“ Ich hätte gerne das!“ Und man kann halt auch, wie du jetzt gerade gesagt hast, sich Sachen wirklich individuell anfertigen lassen, weil ihr ja auch entwerft. Und das dann halt mit entsprechender Wartezeit.

00:35:32 „Das Heiligste“: fertig gestickte Paneele im Lager

Caroline

Wenn… Ich zeige dir mal noch gleich… Weil das haben wir ja noch nicht gesehen. Das Heiligste. Wo fangen wir an? Machen wir die spannenden Sachen. Unsere Handtaschen. Aber halt noch nicht fertig. [Zeigt fertig gestickte Paneele in Schachteln, zwischen Lagen von Seidenpapier gebettet.]  [Foto 23]

Gabriele

Ja, halt gestickt. Das ist so der Wahnsinn! Die Arbeit, die da drinnen steckt. Ich bin völlig fertig.

Caroline

Also die [Stickereien] sind teilweise so alt wie ich.

Gabriele

Ich werd wahnsinnig.

Caroline

Dadurch, dass zur Zeit von meinem Opa das [Geschäft] sehr gut ging, sind teilweise welche angefertigt. Also die Schrift erkenne ich noch von meinem Opa und von meiner Oma.

Gabriele

Also ihr habt hier schon fertig gestickte Platten für Dinge.

Caroline

Ja. Wir haben sehr viel fertig gestickte Sachen schon.

Gabriele

Halleluja!

Caroline

Also diese zwei Regale sind nur fertig gestickte Ware. Weil viele Leute mich fragen, auf Instagram, warum man mich nicht sticken sieht. (raschelt) Das ist 19er Stickerei.

Gabriele

Also das ist. Also ich finde die 19er-Stickerei irre.

Caroline

Ja! Und nur damit man… Wo haben wir das? Ich habe 2055 Blümchen, die in meine Brosche passen.

Gabriele

Na gut, da hast du eine Zeit lang [gestickte Vorräte zum Aufbrauchen]. Von daher verstehe ich auch, warum du das als Einzelunternehmerin machen kannst.

Caroline

Ja. Also, ich habe sehr viel Altware, die einfach vorhanden war. Und wenn du dir das anschaust? Das sind 2,7 Kilometer gestickter Streifen.

Gabriele

In einem solchen Sack?

Caroline

Nein!

Gabriele

Ach so, okay, insgesamt.

Caroline

Insgesamt!

Gabriele

Okay. Das ist einfach aus den letzten bald 100 Jahren. Weil 1932 [das Jahr der Firmengründung] ist ja jetzt dann schon [bald 100 Jahre her].

Caroline

Also ich würde sagen, die wurden so um die 1950, 1960 produziert.

00:37:56 Aufgeben? Nein: Weitermachen!

Caroline

Ich glaube, mein Kind wird auch noch davon wegarbeiten können, wenn es uns noch weiterhin gibt.

Gabriele

Na ja, im Grunde, selbst wenn du es jetzt nicht… Es wäre einfach so unglaublich schade, das alles weg zu verkaufen.

Caroline

Kann man nicht. Es interessiert [keinen]. Ich könnte es der Frau Stransky, also der Familie Lechner, verkaufen. Maria Stransky, weil die das vielleicht verarbeiten könnten.

Gabriele

Dann wären das die Allerletzten, die das machen.

Caroline

Jetzt ist halt schwierig. Es war schon oft mal die Überlegung: „Will ich wirklich?“ Aber… Also während Corona war halt dieser Hänger manchmal da, wo man sich dann denkt: Will man das wirklich weitermachen?

Gabriele

Ein Lager ist auch Fixkosten. Ist es dir das wert, dass du das fix mietest.

Caroline

Und das ist der Punkt, wo ich sage: Ich möchte es einfach. Es darf nicht weg sein.

Gabriele

Es darf nicht verloren gehen, oder?

Caroline

Es ist halt wirklich, wirklich schwierig. Und es macht mir aber trotzdem Spaß, sonst würde ich es nicht machen. Weil ich arbeite doch 36 Stunden die Woche in dem anderen Beruf. Dann hole ich mein Kind ab. Dann versorge ich mein Kind und nütze noch die wenige Zeit, die ich mit ihr habe. Dann ist sie im Bett. Und dann sitze ich nachts und montiere. Oder am Wochenende. Ich könnte sonst nirgendswann anders. Aber man stellt sich hin und wieder mal dann die Frage, kommt sicherlich bei jedem im Leben: „Will ich die wenige Zeit mit meinem Kind, die ich eh nur habe, dann auch noch hier verbringen? Für das, dass es nicht funktioniert?“ Und dann denkt man aber: Ich bin damit groß geworden. Ich habe meine Kindheit in diesem Unternehmen verbracht. Und es hat Potenzial und es darf nicht untergehen. So viele Gewerbe sterben aus. Schirmmacher. Taschenmacher. Einstiegsgehalt eines Taschenmachers nach der Lehre ist glaube ich 2.000, 2.500 Euro im Moment.

Gabriele

Brutto wahrscheinlich.

Caroline

Nein, netto! Weil es keine gibt. Es gibt keinen, der das mehr macht. Ich habe einen jungen Taschenmacher kennengelernt, im zweiten Bezirk, als ich Leder gekauft habe. Da gibt es einen Lederfachhandel. Und habe ihm angeboten, er kriegt hier den Schlüssel. Die und die Taschen sind zu machen. Ob er am Sonntag kommt, ob er am Montag kommt, ob er in der Nacht kommt und in der Früh: Er kann arbeiten und werken, wie er gerne möchte: „Nö! Warum?“

Gabriele

Da müsste er [auch am Wochenende arbeiten].

Caroline

Okay! Na dann!

Gabriele

Ja. Und: Es gibt das aussterbende Gewerbe auf der einen Seite und ganz viel ausgelagert nach Asien. Immer weiter nach Osten, und so weiter.

Caroline

Dort stirbt es nicht aus.

Gabriele

Nein, noch nicht. Und es gibt auch diese Gegenbewegung. Also bei Hutmacher, bei Schuster, oder die wirklich per Hand Schuhe machen. Und es gibt Leute, die Wert darauf legen, dass es so produziert wird. Oder dass sie wissen, wer das gemacht hat. Ich sehe das immer wieder, dass die Erfolgreichen auch immer diese Geschichten damit [erzählen]. Also nicht nur das: „Wahnsinn, wie fein das ist und wie dünn das ist!“, usw. Sondern auch die Geschichten mit transportieren. Also: Wer hat das gemacht? Damit ich wirklich weiß: Das ist nicht in China von Kindern hergestellt, sondern hat in deinem Fall in Ungarn.

Caroline

Ja, es ist halt schwierig, wo unser Weg hingehen wird. Aber ich kämpfe weiter.

Gabriele

Das ist doch ein schönes Schlusswort. Danke für das Gespräch.

Caroline

Bitte. Gerne!


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