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Theresa und das Longarm-Quilten

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Aktualisiert am 19. Mai 2024.

In Leoben in der Steiermark ist Theresa Urbanek zu Hause. Die End-Zwanzigerin wurde schon als kleines Mädchen von der Leidenschaft für Patchwork und Quilting gepackt. Heute besitzt sie eine sogenannte “Longarm-Quiltmaschine” und quiltet Patchworkdecken auch für andere.


An einem regnerischen Tag im April mache ich mich auf den Weg nach Leoben. Theresa empfängt mich mit Tee und selbst gebackenen Muffins in ihrer gemütlichen Dachgeschosswohnung. Ein Zimmer der kleinen Wohnung ist ganz dem Quilten gewidmet, Theresas liebstem Hobby und inzwischen auch Gewerbe.

Patchworken und Quilten: Was ist was?

Falls du dich mit dem Bereich Patchwork und Quilten noch nicht beschäftigt hast, gebe ich dir hier eine wirklich nur kurze Einführung in die großteils englischen Begriffe:

Eine Patchworkdecke wird für gewöhnlich aus vielen kleinen Stoffstücken zusammengesetzt (alte oder neue Stoffe), die in einem regelmäßigen oder wilden Muster zusammengenäht werden. Dieses große, zusammengenähte Stück Stoff, das “Top” wird mit einer Schicht Wattierung oder Vlies (dem “Batting” ) und einer weiteren Stofflage, die die Rückseite der späteren Decke bildet, zu einem dreilagigen “Quiltsandwich” gestapelt. Meistens werden die drei Lagen geheftet, mit speziellen Sicherheitsnadeln oder mit Sprühkleber fixiert, bevor man sie endgültig zusammennäht (absteppt, quiltet), mit der Hand oder mit der Maschine.

Ob man den Linien des Patchworkmusters folgt, oder ob man in großzügigen geraden oder geschwungenen Linien die gesamte Decke überzieht: Die Muster, in denen man die Steppnähte setzt, geben dem fertigen Quilt noch eine zusätzliche Dimension. Ganz toll veranschaulicht wird das im Buch Quilting Makes the Quilt von 1994, in dem die Autorin jeweils 5 identische Quilttops anfertigt, die sie dann auf jeweils unterschiedliche Art absteppt. Mit unterschiedlichem Quilting wirkt dasselbe Patchworkmuster jeweils ganz anders!

Je nach Dicke des verwendeten Vlieses, und je nachdem wie dicht die Stepplinien gesetzt werden, bekommt man durch das Quilten eine mehr oder weniger flauschige Decke mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Struktur: Dicht gequiltete Bereiche werden sehr flach, wenig oder gar nicht gequiltete Bereiche treten bauschig hervor. Zum Schluss wird als Einfassung rund um die Decke ein Stoffstreifen angenäht, das so genannte “Binding” .

Merke:

  • Patchworken” bezeichnet das Zusammensetzen eines größeren Stück Stoffes aus mehreren kleineren “Flicken” (engl. “patches”).
  • Quilten” bezeichnet das Absteppen des Quiltsandwiches.
  • Eine “Patchworkdecke” ist normalerweise auch gequiltet, also abgesteppt.
  • Aber ein “Quilt” muss nicht unbedingt Patchwork enthalten: Es gibt auch Quilts aus einfachen, großen Stoffstücken, auf die rein durch das Absteppen kunstvolle Motive gezaubert werden.

Natürlich kann man auch viele andere Dinge, wie Kissen, Wandbilder, Stoffe für Taschen oder auch für Kleidungsstücke wattieren und absteppen. Die Möglichkeiten sind unendlich.

Jetzt gibt es also viele Handarbeitsbegeisterte, die zwar gerne Patchwork nähen, aber nur ungern quilten. Meistens, weil sie sich mit dem Absteppen der oft sehr großen Werkstücke unter ihrer gewöhnlichen Nähmaschine plagen, und/oder weil sie befürchten, die aufwändig genähte Decke durch ungleichmäßiges Absteppen zum Schluss noch zu verschandeln. Wenn beispielsweise die Decke vorher nicht gut geheftet wurde und sich die Schichten beim Absteppen gegeneinander verschieben.

Viele Patchworker:innen geben daher ihre Decken zum Quilten an Spezialist:innen weiter, die das Quilten mit speziellen, großen Nähmaschinen, den so genannten “Longarm” Maschinen erledigen.

Und hier kommt unter anderem Theresa ins Spiel.

Mit sechs Jahren schon Patchworkfan

Zunächst wurde Theresas MUTTER mit dem Patchworkvirus infiziert, als Theresa sechs Jahre alt war. Schon damals hat sie ihrer Mutter begeistert über die Schulter geschaut, welche hübschen bunten Muster aus den Stoffstücken entstehen. Mit sieben Jahren hat sie dann auch selbst begonnen, zu nähen und bereits als Jugendliche mehrmals mit ihren Eltern Kreativmessen besucht.

Während eines Austauschjahres in den USA (mit 17 Jahren) besuchte sie einen riesigen Quiltladen – ein Paradies. Da sie in einem kleinen amerikanischen Ort viel Zeit zu Hause verbringen musste, organisierte sich Theresa eine Nähmaschine und nähte viel. Als sich ein Jahr später, wieder zurück in Österreich, die Frage nach dem Ziel der Maturareise* stellte und sich ihre Schulklasse in mehrere Partygrüppchen aufteilte, stand für Theresa fest: Sie würde zur Feier ihres Schulabschlusses mit ihrer Mutter zum International Quilt Festival nach Chicago reisen! Und das hat sie dann auch getan.

(* Bei uns in Österreich ist es üblich, dass die Absolvent:innen einer höheren Schule nach Ende der Abschlussprüfungen eine gemeinsame Reise unternehmen, die so genannte “Maturareise”. Häufig ist das Reiseziel ein Partystrand auf einer Mittelmeerinsel.)

In den folgenden Jahren hat Theresa gemeinsam mit ihrer Mutter viele Messen und Ausstellungen besucht, darunter die “Creativa” in Frankfurt (2014), das “International Quilt Festival” in Houston/Texas (2015), und den “Carrefour Européen du Patchwork” im Elsass (2016). Sie hat sich weitergebildet, Kurse besucht, fleissig Geld gespart, hier und da schon einmal das Quilten auf einer Longarm Maschine ausprobiert.

Und dann hat sie sich 2016, mit 21 Jahren, von ihrem Ersparten in Frankreich eine Longarm-Maschine gekauft, eine knapp vier Meter lange “Lucey” der Firma APQS. Andere junge Leute stecken ihr Geld in einen neuen Kleinwagen. Theresa hat sich um die rund 15.000 Euro lieber eine professionelle Maschine für ihr (damals noch) “nur” Hobby geleistet, für den Eigenbedarf, und damit verwunderte Blicke auf sich gezogen.

Faszination und Übung

Jetzt muss ich noch ergänzen, was das Longarmquilten so besonders macht:

Beim Quilten mit der normalen Nähmaschine bewegt man ja das vorher geheftete Quiltsandwich unter der Nadel. Bei einer Longarm wird das Quiltsandwich hingegen in seinen Einzelteilen ohne Heften oder Kleben zwischen zwei Rollen aufgespannt, und man bewegt die Nadel bzw. das Nähmodul über den Stoff. Werkstücke mit bis zu 340 cm Breite (!) kann Theresa auf ihrer “Lucey” aufspannen. Die Nähmechanik ist – daher der Name – auf einem “langen Arm” montiert, sehr leichtgängig in alle Richtungen. Dadurch kann man sehr freizügig großräumige Muster auf den Stoff zaubern, aber auch detailliert kleinräumig quilten. Also klar: Das kann man machen, wenn man es KANN.

Beim “normalen” Quilten sitzt man, an der Longarm steht man beim Nähen.

Grundsätzlich lässt sich jedes Muster, das man ohne abzusetzen mit einem Bleistift zeichnen kann, auch quilten. Für manche Muster gibt es Vorlagen, so genannte “Pantografen”, die man auf der Hinterseite der Longarm mit einem Laserstrahl nachfährt, während auf der Vorderseite dasselbe Muster quasi übertragen und genäht wird. Aber Theresa arbeitet lieber ohne Pantrografen, zeichnet die Muster rein aus dem Gedächtnis. Das Zauberwort heißt wie bei allen Handwerken: Üben.

Üben, um den Schwung der Schnörkel rund und gleichmäßig hinzubekommen. Üben, um die Abstände zwischen parallelen Linien gleichmäßig zu halten. Theresa hat auf vielen Probe-Metern Muster geübt, bevor sie die ersten “richtigen” Decken gequiltet hat: “Denn Auftrennen gibt es nicht beim Quilten. Die Naht die drinnen ist, BLEIBT auch drinnen”, sagt sie. Und genau dieser Umstand stresst – wie ich auch aus eigner Erfahrung weiß – viele Hobbynäherinnen. Vor allem, wenn man von den geraden Linien weggeht hin zu kurvigeren Mustern beim “Freihandquilten” , kann es schnell passieren, dass man den eigenen Ansprüchen nicht genügt.

Seitdem näht und quiltet Theresa, wann immer ihr neben Beruf, berufsbegleitender Technikausbildung und junger Hundedame Zeit bleibt. Theresa hat in der Zwischenzeit auch ein Gewerbe angemeldet. Ein wichtiger Grundsatz, den sie von Claudia Pfeil, einer der renommiertesten Quilterinnen im deutschsprachigen Raum, mitgenommen hat, lautet: “Think before quilting, and quilt without thinking.” Sprich: Überlege vorher genau, welches Muster es werden soll, und wie du den Weg des Fadens über den Stoff anlegst. Und lass dich dann beim Quilten selbst vom “Flow” erfassen.

Je nachdem, ob ein Muster über alles gequiltet werden soll (auch genannt “edge to edge”, also von Kante zu Kante), oder ob kleinteilig einzelne Motive des Patchwork-Tops besonders hervorgehoben werden sollen (“custom quilting”), können schon einmal einige Stunden vergehen, bis so eine Decke fertig gequiltet ist.

Theresa macht das Quilten immer noch und immer wieder Freude, deshalb nimmt sie auch gerne Aufträge zum Quilten an. Die meisten Kund:innen schicken ihre Quilts – nach vorheriger Absprache und Anzahlung – mit der Post aus ganz Österreich. Auch einige Frauen aus der Quiltgruppe, der Theresa angehört, lassen ihre Decken bei ihr quilten. Man muss mit drei Monaten Bearbeitungszeit rechnen, in Ausnahmefällen geht es auch – bei Zahlung eines Aufschlages – schneller: “Wenn zum Beispiel die Hochzeit, bei der ein Quilt verschenkt werden soll, schon in einem Monat stattfindet, dann kann ich manchmal eine Ausnahme machen”, sagt Theresa.

Theresas Preise und Konditionen findest du auf ihrer Webseite (siehe Infobox).  Sie veranstaltet auch Kurse zum Patchworken und Longarm Quilten, Infos dazu erhältst du auf Anfrage per Mail.

Quiltest du noch selbst oder lässt du schon quilten?

Verrate es uns unten in den Kommentaren und komm mit uns ins Gespräch.
Du kannst dort, in den Kommentaren, gerne auch Fragen an Theresa stellen.


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