Das Textilportal Magazin

Bericht vom Färbermarkt in Gutau

·

·

,

Aktualisiert am 19. Mai 2024.

Jedes Jahr am 1. Sonntag im Mai findet in Gutau im Mühlviertel (Oberösterreich) der Färbermarkt statt, der als einer der schönsten textilen Kunsthandwerksmärkte in Österreich gilt. Der Markt ist vorwiegend blau: Gutau ist nämlich bekannt für sein Färbermuseum und für “Blaudruck”.

Der ganze Ort ist Markt

Wir haben so ein Glück! Für diesen Sonntag, den 1. Mai 2022, waren in ganz Österreich Regenfälle angesagt, aber es bleibt trocken. Ich fahre mit dem Auto durch das hügelige Mühlviertel mit Wäldern und Wiesen in Richtung Gutau, das pittoresk auf einem Hügel thront.

Vor dem Ortseingang werde ich von Parkplatzeinweisern auf eine Wiese umgeleitet, die für diesen Tag als bereits gut Parkplatz dient. Dort stehen Autos vorwiegend aus Oberösterreich, aber auch aus Niederösterreich, Wien, Salzburg, dem angrenzenden Bayern, und sogar aus Tirol. Vorbei an der Kasse (der Eintritt zum Markt kostet 3,- Euro) geht es in die Gassen von Gutau, die links und rechts von den Marktständen gesäumt sind.

Ungefähr die Hälfte der 99 Marktstände bietet Waren mit Blaudruck feil: Stoffe, Kleidung, Taschen, Topflappen, Schürzen, sogar Ostereier gibt es in Blau mit weißem Muster. Die Blaudruckereien sind aus Österreich, Deutschland, Tschechien und Ungarn gekommen.

Die andere Hälfte der Stände teilen sich Kunsthandwerker:innen mit Stempeln zum Drucken und mit bedruckter Ware, mit gefilzten Waren wie Umhänge und Hüte, mit Schmuck oder Holzwaren. Eine Schneiderin mit Dirndlstoffen, andere mit Upcycling-Mode: Alle Aussteller:innen wurden sorgsam kuratiert und bieten sehr schöne, hochwertige Ware zum Verkauf an.

Am Hauptplatz spielt die Trachtenmusikkapelle abwechselnd mit einer ungarischen Gruppe, dazwischen gibt es eine Modeschau. Zu Essen gibt es Deftiges: Schnitzel, und Würstel mit Sauerkraut, in Schmalz herausgebackene Bauernkrapfen, Kaffe und Kuchen.

Der Blaudruck – immaterielles Kulturerbe

Im Färbermuseum Gutau werden an diesem Tag den ganzen Tag Führungen im 20-Minuten-Takt angeboten. In dem Gebäude, in dem sich heute das Museum befindet, war noch bis 1968 eine Blaudruckerei in Betrieb.

Blaudruck ist charakteristisch durch die feinen weißen Muster auf indigoblauem Grund. Das heißt: Eigentlich ist Blaudruck kein “Druck” sondern eine Reservefärbung wie z.B. auch die indonesische Wachsbatik: Auf den weißen Stoff wird mit Modeln oder Walzen der so genannte “Papp” aufgebracht, eine Mischung aus Gummi Arabicum und anderen Zutaten; das jeweilige Rezept wird von der jeweiligen Färberei eifersüchtig gehütet (Färbergeheimnis).

Nicht zu dickflüssig und nicht zu dünnflüssig darf der Papp sein, damit die feinen Muster sehr exakt abgedeckt werden und nicht etwa die Farbe darunter hinein läuft. Handgedruckte Stoffe erkennt man an den Ansatzpunkten für den Musterrapport, die mehr oder weniger exakt getroffen wurden.

Danach muss der Papp trocknen, bis er ganz hart ist, und erst dann wird im Farbbad, der so genannten “Küpe” kalt gefärbt. Je nach gewünschtem Farbton wird der Stoff mehrmals ins Farbbad getaucht.

Es dauert eine Zeit, bis der gelbliche Farbton der Küpe durch Oxidation zunächst grün und dann blau wird. Danach wird der “Papp” mit heißem Wasser ausgewaschen, der Stoff zum Trocknen aufgehängt.

Der früher verwendete Färberwaid wurde ab 1850 schrittweise durch Indigo aus Indien ersetzt. Heutzutage hat sich – auch für das Färben von Jeansstoffen zum Beispiel – in der Textilbranche synthetisch hergestelltes Indigo durchgesetzt.

2018 wurde der Blaudruck in die “repräsentative, internationale UNESCO-Liste der immaterielle Kulturgüter der Menschheit” aufgenommen. Um in dieses Verzeichnis aufgenommen werden zu können, muss eine Tradition “über mindestens drei Generationen hinweg weitergegeben worden sein” und “für eine bestimmte Region oder eine Gemeinschaft identitätsstiftenden Charakter besitzen”. Eine einzelne Firma oder ein Produkt kann nicht immaterielles Kulturerbe werden. “Ziel des  Verzeichnisses ist es, lebendige Traditionen zu listen und dadurch das Wissen und die Praktiken in den Vordergrund zu stellen.” (Häufig gestellte Fragen zum immateriellen Kulturerbe).

Im Fall des Blaudruckes haben Organisationen und Firmen aus Österreich, Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn den Antrag unterstützt. In einer Blaudruck-Broschüre der Unesco sind Betriebe und Künstler:innen aus 18 Ländern vertreten, und die den weltweiten Charakter dieses immateriellen Kulturerbes aufzeigen.

Neben großer Ehre bedeutet “immaterielles Kulturerbe” zu sein auch Zugang zu Fördermitteln, um die “lebendige Weitergabe” der Tradition zu fördern.

In Gutau konnte im Gebäude gegenüber des Museums die Zeugfärberei Gutau eingerichtet werden: Eine offene Experimentalwerkstatt, in der auch Färber-Kurse abgehalten werden.

Und die Einbecker Blaudruckerei, nach eigenen Angaben “Europas älteste Blaudruckmanufaktur” (seit 1638 ununterbrochen in Betrieb), hat 2022 zum “Blaudruckjahr” ausgerufen. Das Projekt “Lass uns ein Jahr BLAU machen” umfasst zahlreiche Kurse und Veranstaltungen, sowie Kooperationen mit Künstler:innen und dem Studiengang Modesdesign der Hochschule Hannover, um das “cross-innovation-Potenzial” des Einbecker Blaudrucks zu testen.

Das Formenstechen

Die Druckmodel sind der sorgfältig gehütete Schatz einer Blaudruckerei. Feine, gebogene Messingbleche und feine Stifte werden in Holzblöcke geschlagen, zu den filigranen Mustern arrangiert. Die Einbecker Blaudruckerei zum Beispiel bewahrt über 800 Model auf, die Motive aus Barock und Rokoko, Biedermeier und ArtDeco umfassen. Färber, die auf Wanderschaft gingen, brachten von ihren Reisen weitere Model mit. (Aus der Broschüre der Einbecker Blaudruckerei.) Im Färbermuseum sind einige Exemplare ausgestellt: Ich bin fasziniert von der Feinheit der Muster mit hunderten Metallstiften!

Als ich um 11:15 auf dem Markt ankomme, hat der Formenstecher Herr Zinsberger, einer der letzten seines Standes, schon vier Fünftel seiner mitgebrachten Model verkauft. Bereits um 8:00 Uhr, als der Markt begann, seien die ersten Besucher:innen da gewesen, um sich begehrte Muster zu sichern, erzählt er.

Herrn Zinsberger fertigt auch Model auf Auftrag: Man kann ihm eine Skizze oder auch ein altes Stoffmuster schicken, das er als Model nachbaut. In seiner Werkstatt in Bayern hat er gut zu tun: Die Wartezeit für ein Auftrags-Model beträgt derzeit ca. vier Monate.

Meine Einkäufe

Ganz ohne Einkaufen bin ich nicht davongekommen, auch wenn ich mich zurückgehalten habe:

  • Ein halber Meter Blaudruckstoff für ein Täschchen oder auch zwei.
  • Grüne Zwirnknöpfe von der legendären Herta Affenzeller, der beinahe legendären “Grande Dame” der Zwirnknöpfe in Oberösterreich, für eine neue Leinenbluse.
  • Ein Säckchen mit Färberwaid-Samen, für meine Freundin Sabine, die spinnt und färbt und webt. Sie wird die zweijährige Pflanze in ihrem Garten anbauen, und dann erfahren wir vielleicht nächstes Jahr, was daraus geworden ist.
  • Und wunderbar bunte “Färbernudeln” für meine daheim gebliebene Familie.

Das war ein toller Markt! Ein Besuch lohnt sich ganz bestimmt!

Das Wichtigste in Kürze

Jedes Jahr, jeweils am ersten Sonntag im Mai, treffen sich in Gutau Färber aus Deutschland, Ungarn, Tschechien, Slowakei und Österreich, sowie Leinenweber und Kunsthandwerker beim traditionellen Färbermarkt.

Bei diesem Standlmarkt, der am Gutauer Marktplatz und den Einfahrtsstraßen von Gutau stattfindet, bekommen Liebhaber von Blaudruck, Blaudruckaccesssoires, Kunsthandwerk und Trachten alles angeboten, was ihr Herz begehrt.


Kommentare

5 Antworten zu „Bericht vom Färbermarkt in Gutau“
  1. […] Bericht vom Färbermarkt in Gutau, wo der ganze Ort „blau“ war […]

  2. Karin

    Blau, meine Lieblingsfarbe. Ich lese zum ersten Mal von diesem Markt. Danke für die interessanten Informationen. Ich merke mir den Termin für nächstes Jahr vor. Liebe Grüße!

    1. Gabriele Brandhuber

      Sehr gerne! Ich freue mich, dass dich mein Bericht dazu inspiriert hat, den Termin vorzumerken. Der Ausflug lohnt sich jedenfalls. Liebe Grüße, Gabi

  3. Liebe Gabi!
    Deine Bilder vom Färbermarkt sind eine Augenweide – so schön blau! Klingt sehr interessant, hab deinen Post mit Begeisterung gelesen. Vielleicht schaff ich es ja auch einmal dorthin
    LG Karin

    1. Gabriele Brandhuber

      Ja, der Ausflug lohnt sich jedenfalls! Wenn die Anreise so weit ist wie bei dir und mir (ca. 3,5 Stunden mit dem Auto) zahlt es sich auch aus, ein Mal zu übernachten. Oder einen Bus für mehrere Menschen zu organisieren? Vielleicht für die Näh-Runde? Vor dem Ortseingang standen auch ein paar Reisebusse. Habt ihr in Kärnten eigentlich auch einen tollen textilen Markt? Weißt du was? Liebe Grüße, Gabi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert



In der Textilpost schmökern

Alle ein bis zwei Wochen bekommst du die Textilpost, mit Infos über neu eingetragene Betriebe, neue Beiträge im Magazin, neue Podcastfolgen und kommende textile Veranstaltungen bequem in Deinen Posteingang geliefert.

Verrate mir

Ich verwende deine hier eingegebene Adresse ausschließlich für den Textilpost-Versand mit Mailchimp, wie in meinen Datenschutzhinweisen beschrieben.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner