Faserserie: Baumwolle und Kapitalismus (Podcast #016)

Aktualisiert am 19. Juli 2023.

Baumwollfasern werden schon seit Urzeiten versponnen und zu Stoffen verwebt. Heute findet sich Kleidung aus Baumwolle in jedem Kleiderschrank. Wir sprechen über Baumwollarten und -anbaugebiete, über den globalen Baumwollhandel und warum Baumwolle heute allgegenwärtig ist.

Baumwolle hat eine lange Geschichte als Faserlieferantin. Vermutlich wurde die Baumwolle unabhängig voneinander an verschiedenen Orten domestiziert. In Indien wird sie schon seit mehr als 3000 Jahren angebaut. Hier entstanden die ersten gezüchteten Kultursorten, aber auch Mittel- und Südamerika und einige Länder Ost- und Westafrikas sowie Ägypten besitzen eine lange Tradition der Baumwollverarbeitung. Die Geschichte der Baumwolle ist so vielfältig, dass wir in dieser Podcastfolge nur einige Aspekte anreißen konnten.

Baumwollblüte (Bild: Public Domain, ACES via Wikimedia Commons)

In Europa waren Stoffe aus Baumwolle, meistens über Venedig aus Kleinasien oder Indien importiert, seit dem Mittelalter bekannt, aber ein Luxusgut. Erst 1793 mit der Erfindung der Egreniermaschine oder „cotton gin“, die die Fasern – die eigentlich Samenhaare sind – von den Samenkörnern trennt, wird die Verarbeitung im industriellen Maßstab möglich. Auch die Technologie für das Verspinnen der mit 25 bis 32 mm relativ kurzen Fasern musste in Europa im Laufe des 18. Jahrhunderts erst entwickelt werden.

Reife Baumwollkapsel (Bild: Public Domain, ACES via Wikimedia Commons)

Dadurch wurden Baumwollstoffe im 19. Jahrhundert zum Massenprodukt, auch weil der Rohstoff Baumwolle durch die Sklavenarbeit in den Südstaaten der USA konkurrenzlos günstig war. Der Handel mit Rohbaumwolle erfolgte über Kontinente hinweg durch ein System von Zwischenhändlern und Großhändlern, die durch persönliche Kontakte miteinander verbunden waren. Später entstanden in den europäischen Handelszentren wie Liverpool und Bremen Baumwollbörsen, die Qualitätsstandards einführten und den modernen Handel mit Agrarprodukten begründeten: Gehandelt wurde nun nicht mehr mit konkreten Ballen Baumwolle, sondern mit Optionen auf zukünftige Ernten, Saatgut wurde über Kredite vorfinanziert und Schiffe von Reedereien geleast.

Für die Ernte entlaubtes Baumwollfeld in Alabama (Bild: Public Domain, ACES via Wikimedia Commons)

Heute werden zwar zunehmend Kunstfasern in der Textilindustrie verarbeitet, aber Baumwolle macht immer noch 33 % der weltweiten Faserproduktion aus. Bio-Baumwolle, die ohne künstlichen Dünger und Pestizide gezogen wird, hat daran nur einen kleinen Anteil: 2020/21 waren es laut International Cotton Advisory Committee nur 1,4 % der weltweiten Ernte. Durch den enormen Wasserverbrauch ist auch der Anbau von Bio-Baumwolle nicht ohne Risiko für die Umwelt. Textilien lange zu verwenden und möglichst nicht neu zu kaufen, ist also nach wie vor wichtig.

Kapitelmarken aufklappen

  • 00:01:45 Wo die Baumwolle wächst, Baumwollsorten
  • 00:07:10 Bauwollfasern sind relativ kurz. Verarbeitungstechnologie
  • 00:08:50 Trend zu leichteren Stoffen im Europa des 17. Jahrhunderts
  • 00:11:05 Baumwolle wurde schon sehr früh in industriellem Maßstab hergestellt
  • 00:14:45 Das Handelsdreieck: Baumwolle – Tuch – Sklaven
  • 00:17:30 Knick durch den Sezessionskrieg in den USA und Schuldenfalle durch Baumwollanbau
  • 00:22:20 Bio-Baumwolle
  • 00:23:20 Konsum reduzieren, globale Abhängigkeiten reduzieren
  • 00:27:45 Arbeitsschritte bei der Baumwollverarbeitung; Automatisierung; Ausbeutung
  • 00:33:40 Baumwolle ist überall im Haushalt. Alternativen suchen?

Shownotes aufklappen

  • Sven Beckert: Empire of Cotton. A new History of Global Capitalism. London 2015 (Deutsch: König Baumwolle. Eine Geschichte des globalen Kapitalismus) – Spannende Wirtschaftsgeschichte über den Baumwollhandel und den Beginn der Globalisierung.
  • Kim Siebenhüner, John Jordan, Gabi Schopf (Hrsg.): Cotton in Context. Manufacturing, Marketing, and Consuming Textiles in the German-speaking World (1500-1900), Köln 2019. – Gibt es nur auf Englisch.
  • Eric Wolf: Europe and the People without History. Berkeley 1982 (Deutsch: Europa und die Völker ohne Geschichte.)

Transkript aufklappen

Gabriele

Herzlich willkommen bei einer neuen Folge vom Textilportal Podcast. Heute haben wir wieder eine Faserfolge, also eine Folge in unserer Reihe über textile Fasern. Allerdings dieses Mal eine Faser, die nicht bei uns lokal in Europa wächst, aber die so omnipräsent, also so universal verfügbar ist, dass man sie eigentlich nicht außer Acht lassen kann. Und zwar geht es heute um die Baumwolle. Und zu diesem Thema habe ich auch heute wieder Constanze Derham zu Gast. Hallo Constanze.

Constanze

Hallo!

Gabriele

Wenn man sich die Bekleidung anschaut ist – neben Polyester – Baumwolle das, was am meisten wirklich zum Einsatz kommt in der Bekleidungsindustrie.

Constanze

Genau. Also Polyester ist in den 90er-Jahren an Baumwolle vorbeigezogen, was die Mengen betrifft in der Bekleidung. Aber ansonsten ist Baumwolle immer noch an zweiter Stelle. Im Grunde ist 75 % der Naturfaserproduktion auf der Welt, ist Baumwolle.

Gabriele

Voll der Wahnsinn. Und da muss es ja warm sein, wo Baumwolle angebaut wird. Bei uns wächst die ja nicht.

Constanze

Ja, in den Tropen und Subtropen. Also die wächst relativ lange. Es muss genügend Feuchtigkeit geben, deswegen auch meistens mit Bewässerung. Aber andererseits muss es dann bei der Ernte trocken sein, damit die Kapseln an den Sträuchern aufspringen. Also das sind schon besondere klimatische Bedingungen, die es da braucht.

Gabriele

Und Baumwollproduktion ist mir ein Begriff in Indien, vorwiegend. Da gibt es krasse Geschichten mit Saatgut, das ausgeteilt wird, und das sich nicht vermehrt. Boah! Über Baumwollproduktion habe ich in den letzten Jahren so viele schreckliche Dinge gehört. Und USA. Das sind glaube ich die zwei großen Zentren, oder? Indien und USA.

Constanze

Ja, heute auch noch China und Brasilien. In Europa tatsächlich Griechenland auch. Türkei. Russland, bzw. in der Sowjetunion die südlicheren Republiken. Bisschen auch in Afrika. Ägyptische Baumwolle ist ja auch so ein Begriff, zum Beispiel. Aber zu den Sorten kommen wir vielleicht ja noch.

Gabriele

Ja, sehr gerne. Ja ägyptische „langstapelige“ Baumwolle, heißt es immer, die eine besonders hohe Qualität hat, und die sehr begehrt ist, oder beliebt.

Constanze

Ja, genau. Vielleicht können wir kurz was zur Pflanze, oder zur Faser an sich sagen. Diese Baumwollsträucher, da gibt es im Grunde so ein paar große Untersorten. Also es gibt so eine amerikanische Art, eine asiatische Art und eine afrikanische Art. Das Interessante, historisch, ist ja auch, dass die Baumwolle wohl wirklich unabhängig voneinander in Asien, in Afrika und in Amerika – Nord- und Süd- und Mittelamerika – angebaut wurde, schon. Also bevor diese ganze industrielle Produktion einsetzte und das Saatgut dann auch weltweit verteilt wurde, gab es überall, vor Tausenden von Jahren schon, lokalen Baumwollanbau mit Sorten oder Arten, die für den Kontinent typisch waren. Und daraus sind später auch Sorten gezüchtet worden, mit besonders langen Fasern, und mit besonders vielen Fasern, die in diesen Samenkapseln sind. Jetzt ist das Neuste ja, dass man gentechnisch veränderte Baumwollpflanzen hat, wo so ein Bodenbakterium eingebaut wurde, sodass bestimmte Baumwollrüsselkäfer und Baumwollspinner, die sonst diese Pflanzen befallen, quasi vergiftet werden, wenn sie das anbohren. Weil Substanzen von diesem Bakterium in der Pflanze sind. Das ist auch eine sehr krasse Entwicklung.

Gabriele

Oh ja. Ich denke mal, dass es – wie bei allen Monokulturen, wenn man sich so riesengroße Baumwollfelder vorstellt – dass es wie bei allen Monokulturen einfach ganz arg Schädlingsproblematik gibt.

Constanze

Ja, Baum wolle ist ziemlich anfällig. Also nicht nur für Insekten, auch für Pilze und bakterielle Krankheiten. Da ist also normalerweise viel Chemie nötig, im konventionellen Anbau.

Gabriele

Also Insektenschutzmittel und sonstige Fungizide, Pestizide, was weiß ich was?

Constanze

Ja, genau. Ich habe das hier auch noch mal auch aufgeschlüsselt. Also die Sorte Barbadense oder Sea Island Cotton, das ist eigentlich die hochwertigste Baumwolle, die hat besonders lange Fasern, die sind über drei Zentimeter lang, das ist ungefähr 8 % der weltweiten Produktion. Und das sind diese Sorten wie ägyptische Baumwolle, Mako Baumwolle… Da ist dann ja immer die „Mako-Satin Bettwäsche“ draus. Das war, weiß ich noch, in Versandhauskatalogen früher immer so ein Schlagwort: „Bettwäsche aus Mako-Satin“. Und man kann sich ja fragen. Was ist Mako? Und das ist einfach die Baumwollsorte mit besonders langen Fasern. Ganz hochwertig und weich. Und auch die Pima Baumwolle ist so eine Sorte. Die kommt vor allem aus Peru. Während diese Sea Island Cotton heißt eigentlich so, weil das zuerst auf den karibischen Inseln und Inseln, die Nordamerika vorgelagert sind, in Georgia angebaut wurde. Da ist das Klima genau richtig für diese Sorten. Und die häufigste Baumwollsorte ist aber die sogenannte Hochlandbaumwolle oder Upland Cotton. Das war auch das, was in den Südstaaten der USA angebaut wurde, also im Landesinneren. Das ist so eine mittlere Qualität, da sind die Fasern so ungefähr 2,5 bis 3 Zentimeter lang, Das ist 90 % der weltweiten Baumwollernte im Moment. Und dann gibt es noch zwei Sorten, also Gossypium aboreum und herbaceum. Da ist die Faser unter 2,5 Zentimeter, das ist auch relativ grob, das sind 2 % der Ernte.

Gabriele

Ganz spannend finde ich ja, wenn du sagst, die haben besonders lange Fasern. Drei Zentimeter…

Constanze

Ja. So superlang im Vergleich ist es nicht.

Gabriele

Ja! Wenn man jetzt ein paar unserer Folgen gehört hat – von wegen Leinen, oder Hanf, oder auch sogar die Brennnessel – dann gibt es andere Faserpflanzen, wo so eine Bastfaser verwendet wird, die sehr viel länger sind und von daher auch grundsätzlich, wenn man das gut verarbeiten kann, auch robuster usw.. Also eigentlich ist ja die Baumwollfaser im Vergleich jetzt extrem kurz mit ihren zweieinhalb drei Zentimetern.

Constanze

Genau. Auch im Vergleich zu Wolle. Und es war tatsächlich technologisch auch gar nicht so einfach, diese Verspinn-Techniken zu entwickeln. Die müssen auch speziell auf Baumwolle abgestimmt sein. Deswegen gibt es in vielen deutschen Städten auch noch spezielle Baumwollspinnereien. Also Gebäude, die früher Baumwollspinnereien waren, oder Straßen, die irgendwie „An der Baumwollspinnerei“ hießen, oder heißen. Weil das einfach eine andere Technik, oder andere Maschinen dafür nötig waren. Und das Interessante ist eigentlich, dass in Indien diese ganze Technologie schon vorhanden war, bevor das in Europa praktisch auch zum Teil noch mal parallel neu erfunden wurde, oder man nach Indien gefahren ist, um sich da auch Ideen zu holen, wie man das mechanisch verarbeitet. Also in Indien konnten schon sehr lange sehr feine und stabile Stoffe aus Baumwolle hergestellt werden, die dann auch importiert wurden. Die ja auch schon im Mittelalter bis nach Europa gelangt sind. Und Europa hatte da so einen technologischen Rückstand im Grunde lange Zeit.

Gabriele

Ja, dazu kann ich jetzt doch eine Geschichte beitragen. Nämlich ich habe ja dieses Buch zumindest mal angefangen zu lesen. Es gibt so einen Sammelband, der heißt „Cotton in Context“, also „Baumwolle im Kontext“. Und da geht es um die Herstellung, die Vermarktung und auch den Konsum von Textilien in der deutschsprachigen Welt von 1500 bis 1900. Und in diesem Buch geht es vor allem auch darum, in manchen dieser wissenschaftlichen Artikel wie es so einen Trend gab – nämlich im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert – einen Trend gab von den schweren Wollstoffen zu so … Wie heißen diese gewebten Wollstoffe? Sehr schwere Brokate usw. hin zu leichteren Stoffen. Und da war der Import von Stoffen aus Indien, der hat damals begonnen. Da ist die Nachfrage gestiegen, und auch der Handel von solchen Stoffen aus Indien. Und zuerst waren es die Stoffe, und später die Fasern. Aber das hat begonnen, auch mit einem Wandel, quasi in der Mode damals, und dem Trend hin zu leichteren Stoffen, die auch bedruckt werden konnten usw.. Ich bin wie gesagt leider noch nicht so weit mit dem Buch, wie ich gerne sein könnte, und es wird von daher auch diese Folge heute nicht die letzte historische Folge zur Baumwolle sein. Weil es gibt auch noch einen Artikel da drinnen, wo es um den Technologie-Transfer geht. Genau das, was du jetzt gesagt hast: Es war gar nicht das Wissen da, wie soll ich denn das jetzt verarbeiten? Oder wie wird das bedruckt? Usw. Also war da auch ganz viel Technologie und Wissenstransfer dann. Aber schon im 16. und 17. Jahrhundert! Und was mich so fasziniert oder auch beschäftigt, ist: Wie kann das sein, dass die Baumwolle sich so durchgesetzt hat? Dass Baumwolle so viele andere Faserpflanzen verdrängt hat, die bei uns heimisch waren? Und dass sie so weltweit diese Marktführer-Position bekommen hat? Und das nämlich auch schon sehr früh. Das ist eine Frage, die mich schon seit längerem beschäftigt.

Constanze

Ja, ich glaube, das ist ziemlich komplex. Aber ein Faktor ist meiner Meinung nach, dass es schon sehr früh stattgefunden hat, dass Baumwolle im industriellen Maßstab angebaut wurde. Und das mit der Kolonialisierung Nordamerikas zusammenhängt. Ich habe da von Sven Beckert ein Buch gelesen „Empire of Cotton“, das gibt es auch auf Deutsch, glaube ich. Wo er im Grunde die Entstehung des modernen Kapitalismus mit dem Baumwollhandel parallelisiert. Und diesen Baumwollhandel, der ja von vornherein über Kontinente hinweg stattfinden musste, weil das einfach in Europa nicht so richtig wächst. Also in Spanien hat es auch mal ein bisschen Baumwollanbau gegeben, und wie gesagt Griechenland. Aber es sind meistens sehr große Distanzen, die da überbrückt werden müssen. Und dass das dazu geführt hat, also erstens, dass das, was man vom modernen Kapitalismus kennt: dass man Kredite gibt; dass man auf Vertrauensbasis handeln kann; dass man gemeinsame gesetzliche Regelungen hat, damit solche Geschäfte auch funktionieren, über diese langen Strecken und auch zeitlichen Distanzen, zum Teil; also, dass das dadurch entstanden ist. Dass aber auch die Tatsache, dass halt in Nordamerika dieses Land kolonialisiert wurde, also dass da immer mehr Land von den Ureinwohnern erbeutet wurde, was dann von Einwanderern bearbeitet wurde. Und dass es deswegen möglich war, in großem Stil riesige landwirtschaftliche Farmen aufzumachen, wo man in Monokultur Baumwolle angebaut hat mit Sklavenarbeit, die das extrem billig gemacht hat. Dass das einfach der Grund ist, dass diese Faser extrem billig produziert werden konnte. Und ja auch positive Eigenschaften hatte. Also wie du sagst: Die Mode hat das verlangt. Im 19. Jahrhundert hat die Mode auch Baumwollstoffe verlangt, und zwar auch in riesigen Mengen, weil diese Kleider ja auch unglaublich viel Material verschlungen haben. Das war ja diese Mode mit diesen mehr oder weniger großen Krinolinen-Röcken, die so ganz viel Stoff verlangt haben. Riesige Ärmel. Das war einfach ein unglaublicher Materialbedarf. Und dieses Bedürfnis, dass man eine günstige Faser hat, die sich gut färben lässt, die sich – wenn man die Technologie hatte, im 18. Jahrhundert – auch gut verarbeiten lässt. Mit relativ wenig Ausschuss. Mit relativ wenig Verarbeitungsschritten. Und die man aus einer Kolonie günstig bekommen kann. Dass das so ein Faktor ist, weswegen sich das so verbreitet hat. Während andere Fasern ja vielfach auch so als Nebenerwerb, oder in kleineren Einheiten in den Haushalten angebaut und versponnen wurden, wie beim Leinen zum Beispiel. Also da gab es natürlich auch Anbau im größeren Stil. Aber das war alles im Vergleich doch kleinteilig. Und in Nordamerika waren das einfach riesige Betriebe, die riesige Mengen liefern konnten.

Gabriele

Dazu fallen mir jetzt zwei Dinge ein, die ich gelesen habe. Das eine ist, aus diesem Buch „Cotton in Context“ kommt die Information, dass irgendwann – ich glaube, es war im 18. Jahrhundert – die Importwege von Baumwolle sich geändert haben. Dass Baumwolle vorher aus Indien bezogen wurde, und aus Indien importiert, in die deutschsprachige Welt. Es geht in dem Buch um Österreich, Deutschland, Schweiz. Und dann aber dieser Wechsel war, und dass Baumwolle aus den USA importiert wurde.

Constanze

Genau. Und da ist die richtig durchgestartet.

Gabriele

Ja. Das ist das eine. Und das andere ist, ich habe ja ursprünglich Ethnologie studiert, Kultur- und Sozialanthropologie. Und da gibt es so ein ganz wichtiges, grundlegendes Werk, das heißt „Europe and the People Without History“, also „Europa und die Völker ohne Geschichte“ von Eric Wolf, der auch kapitalistische Marktwirtschaft durchleuchtet. Und da gibt es dieses in der Szene berühmte Handelsdreieck. Das heißt, wenn man sich vorstellt: Das ist ja damals alles mit Schiffen transportiert worden von Handelsgesellschaften. Und die haben auf jedem ihrer Wege Profit gemacht. Das heißt, es wurde Baumwolle von Amerika nach Europa, nach England verschifft. Dann in England wurden Stoffe daraus gemacht. Die Stoffe wurden von England nach Afrika verschifft und verkauft. Und bei der dritten Fahrt hat man von Afrika Sklaven wieder nach Amerika mitgenommen. Und so war quasi Baumwolle von Amerika nach England, Tuch von England nach Afrika und Sklaven von Afrika nach Amerika. Und auf jeder Fahrt haben sie Profit gemacht.

Constanze

Ja genau. Weil so ein Schiff ja nicht leer fährt. Und ein bisschen später war das dann zweiseitig, weil zum Beispiel aus Liverpool und Bremen Auswanderer in die USA gebracht wurden und zurück halt die Baumwolle. Also als dieser Sklavenhandel mit Afrika verboten wurde.

Gabriele

Ich kriege immer Gänsehaut. Mir wird ganz anders, wenn ich daran denke, wie brutal das eigentlich ist. Oder wie brutal das System damals war. Wo es um Profitmaximierung geht.

Constanze

Ja. Aber ich finde es vor allem sehr krass, sich zu überlegen, dass eigentlich dieses System sich seit – wir haben jetzt 2023 – seit 250 Jahren oder länger nicht geändert hat. Weil es ist ja immer noch brutal. Es ist halt jetzt brutal für Menschen, die mehr in Bangladesch oder so leben. Die für unseren Kleidungskonsum arbeiten. Aber es ist sehr krass, sich zu überlegen, dass das schon vor 200 Jahren so war. Dass dieser modische Kleidungskonsum in Europa, der diese Baumwollstoffe in großen Mengen verlangt hat, dass der nur möglich war, weil es die Sklavenarbeit gab, in Nordamerika. Sonst wäre das einfach nicht leistbar gewesen. Es gab nach 1865 auch tatsächlich – also in den 1860er Jahren, während der Sezessionskrieg in Nordamerika war – gab es einen ganz großen Knick in den Baumwollernten dort. Und dann hat man in Europa sehr hastig versucht, Indien anzuzapfen und da die Strukturen zu ändern. Da gab es zwar auch viel Baumwollanbau und auch Export, aber irgendwie waren die Strukturen kleinteiliger. Also viele Landwirte haben praktisch zusätzlich zu dem Nahrungsanbau noch ein bisschen Baumwolle gehabt, die sie verkauft haben. Aber das war nie so im großen Stil. Und man hat dann versucht, also vor allem die Briten haben in ihrer Kolonie versucht, die Leute davon zu überzeugen, nur Baumwolle anzubauen für den Markt. Um diese Baumwollfasern von woanders zu bekommen. Und das hat dazu geführt, dass die Leute da in so eine Schuldenfalle geraten sind. Das ist in „Empire of Cotton“ auch wirklich sehr interessant. Das war mir auch gar nicht bekannt. Das lief so: Wenn man praktisch keine Nahrungsmittel mehr für sich anbaut, muss man die Nahrung ja kaufen. Das heißt, man braucht Geld. Und man braucht auch erst mal Geld, um das Saatgut für Baumwolle zu kaufen. Das heißt, man braucht einen Kredit. Weil die Ernte lässt ja dann erstmal auf sich warten. Da muss man ja erst mal Monate die Baumwolle pflegen, bis man wieder was hat, was man verkaufen kann. Und da ist es ganz schnell so gekommen, dass es Kreditvermittler gab, die dieses Saatgut und auch die Nahrung für diese Zeit, wo man kein Geld durch den Verkauf hatte, vorfinanziert haben. Und praktisch ganz kapitalistisch so eine Wette auf die zukünftige Baumwollernte abgegeben haben. Und wenn die Baumwollernte halt nicht so gut ausgefallen ist, hat man halt alles auf eine Karte gesetzt und konnte seinen Kredit womöglich nicht zurückzahlen und geriet in die Verschuldung. Und das hat dazu geführt, dass die Leute ihr Land verloren haben, zum Teil. Dass sie dann als Lohnarbeiter in größeren landwirtschaftlichen Einheiten arbeiten mussten. Oder halt in den Fabriken, die teilweise dort auch Garn gesponnen haben. Und dass sie so eine proletarische Kaste geworden sind, die keinen Landbesitz mehr hatte, die von Krediten abhängig war, die verschuldet war. Und das ist in vielen Teilen der Welt so passiert.

Constanze

Und ich finde das sehr krass, sich zu überlegen, dass diese Entwicklung, die wir jetzt sehen, dass wir auch so eine entrechtete Gruppe von Lohnarbeitern haben, die sich für unseren Kleiderkonsum in den Fabriken in Südostasien aufreibt. Dass das im Grunde schon vor 200 Jahren angefangen hat mit dieser Entwicklung.

Gabriele

Mhm. Dass es sich jetzt nur verlagert hat.

Constanze

Ja. Es hat sich örtlich immer ein bisschen verlagert. Also es gab immer verschiedene Zentren der Produktion. In den 1860er, 70er Jahren ist Brasilien da auch voll eingestiegen, und Mexiko. Das waren damals auch ganz große Produzenten. Und in Ägypten gab es staatliche Programme, um den Baumwollanbau zu fördern. Russland war da auch interessiert. Also der Sezessionskrieg hat dazu geführt, dass in anderen Weltgegenden die Produktion hochgefahren wurde. Und tatsächlich ist der Baumwollpreis dann auch wieder gesunken, im ganzen 19. Jahrhundert. Was natürlich auch dazu geführt hat, dass sich Bauern, die sich voll auf Baumwolle konzentriert haben, sich tendenziell verschuldet haben. Weil sie jedes Jahr weniger für ihre Produkte bekommen haben.

Gabriele

Ja, und das setzt sich ja, soweit ich weiß, auch fort, dass in Indien Baumwollbauern – also Bauern, die Baumwolle anbauen – die kriegen halt das Saatgut. Das ist aber genetisch modifiziertes Saatgut, das sich auch gar nicht selbst wieder versamen kann. Das heißt, die müssen jedes Jahr wieder das kaufen, sie müssen diese ganzen Pestizide kaufen.

Constanze

Die genau darauf abgestimmt sind.

Gabriele

Sie arbeiten zu einem großen Teil ohne jeglichen Arbeitsschutz. Keine Masken, wenn sie das ausbringen usw.. Und dann gab es, oder gibt es auch immer noch, eine sehr hohe Selbstmordrate unter diesen Baumwollbauern, weil sie genau in diesen Verschuldungskreislauf reinkommen, in diese Spirale. Und irgendwann geht es nicht mehr. Puh! Heute haben wir harten Tobak.

Constanze

Ja, und das gibt es seit 1860, oder seit 1861, läuft das so. Muss man sich auch mal vorstellen.

Gabriele

Und dann gibt es ja zwar Biobaumwoll-Anbau. Aber einerseits muss man sagen, dass der Biobaumwoll-Anbau nie diesen ganzen Wahnsinnsbedarf von dieser Fast Fashion decken kann, und dass ja auch immer noch mehr Biobaumwolle verkauft wird, als tatsächlich angebaut wird.

Constanze

Ja. Es gibt regelmäßig Skandale, dass man bei der Zertifizierung betrogen wird. Und man muss auch sagen: Biobaumwolle heißt in erster Linie ja, dass kein Kunstdünger und keine Pestizide usw. ausgebracht werden. Der Wasserbedarf ist bei Biobaumwolle aber genauso, wie bei konventioneller Baumwolle. Das ist nun mal so, die Pflanze braucht ziemlich viel Wasser. Und da der Ertrag bei Biobaumwolle geringer ist im Allgemeinen, kann es sogar sein, dass Biobaumwolle übers Ganze gerechnet mehr Wasser braucht, weil man halt nicht so viel Ertrag auf der Fläche hat wie bei konventioneller Baumwolle.

Gabriele

Ja und?

Constanze

Also die Biobaumwolle rettet uns wahrscheinlich nicht.

Gabriele

Nein.

Constanze

Auch wenn es gut ist. Aber es ist keine wirkliche Lösung. Wenn wir nicht unseren Verbrauch ganz stark senken.

Gabriele

Genau. Es ist nämlich so lange keine Lösung, wie X Kollektionen im Jahr rauskommen müssen, wo man ununterbrochen sich ständig was Neues kaufen muss. Solange wir diesen Kreislauf nicht durchbrechen… Ja, aber dann gibt es wieder die Gegenstimmen, die sagen: „Die armen Leute dort im Süden! Wenn wir ihnen keine Arbeit geben, in diesen textilproduzierenden Betrieben, dann haben die ja nichts zu essen.“ Okay, also ich als Ethnologin sage euch: Dann machen wir lieber Mikrokredite für solche Leute im Süden, damit sich die eine eigene Existenz aufbauen können. Damit sie nicht abhängig sind auch von Aufträgen aus dem Westen, oder von großen Firmen. Weil was man gesehen hat – gerade auch während der Corona Pandemie, gerade zu Beginn, wo das alles runtergefahren werden musste – da wurden von heute auf morgen plötzlich Aufträge storniert, von großen Firmen. Wo die Leute plötzlich auf der Straße standen, gar nichts zu essen hatten. Und diese Abhängigkeit, nämlich in beide Richtungen, unsere Abhängigkeit von Textilproduktion im Südosten. Und wenn ein Containerschiff im Suezkanal quer steht, dann haben wir plötzlich nichts mehr anzuziehen? Aber auch die umgekehrte Abhängigkeit. Es kann doch nicht sein, dass wir nach wie vor Regionen im Süden abhängig machen unserem Goodwill. Ob wir bereit sind, einen Auftrag zu vergeben und auch wirklich dazu zu stehen, dass wir denen vergeben haben oder kurzfristig stornieren. Es ist natürlich die internationale Verflechtung in der Textilindustrie nichts, was wir jetzt durch diesen Podcast lösen können. Aber wir können es einmal ansprechen. Und bewusst machen. Bewusst machen, was dahintersteckt. Welche globalen Wahnsinns-Transportwege da dahinterstecken, und was wo wie passiert? Und dann können wir uns Alternativen überlegen, die nämlich wir als Konsumentinnen jede für sich auch gut umsetzen können. Das wäre so mein Anliegen.

Constanze

Ja. Insofern ist Biobaumwolle tatsächlich schon der konventionellen Baumwolle vorzuziehen. Aber man muss halt wirklich an seinem Verbrauch arbeiten auch, gleichzeitig.

Gabriele

Genau. Und dann nutzt es auch nichts, wenn ich mir jetzt zwar meine Sachen selber nähe, aber jede Woche „ein neues Teilchen von meiner Nähma[schine] hüpft“. Da muss ich auch schon ein bisschen früher ansetzen, mir überlegen: Was brauche ich denn? Und wie viel brauche ich denn? Und wie oft brauche ich wirklich was Neues? Gut. Jetzt sind wir bei Konsumkritik gelandet.

Constanze

Ja. Wie kommen wir jetzt wieder zurück zur Baumwolle?

Gabriele

Ich weiß nicht. Eine der Fragen, die mich schon ganz lange beschäftigen – nämlich schon vor Gründung des Textilportals – war: „Wann haben eigentlich unsere Bauern aufgehört, die Fasern für unsere Kleidung zu produzieren?“ Und diese Baumwollfolge jetzt ist eine Teilantwort darauf, nämlich: Schon sehr, sehr früh. Schon im 16. und 17. Jahrhundert fand sich fast in jedem Haushalt auch ein Textil aus Baumwolle. Egal, ob das jetzt Kleidung, oder Vorhang, oder Möbelstoffe wurden auch sehr gerne aus Baumwolle hergestellt. Also schon im 17. Jahrhundert war Baumwolle da, und hat Baumwolle schon eine Industrie, oder zuerst Manufakturen begründet, aber dann eine Industrie begründet auch in Europa. Das ist also einfach schon eine ganz, ganz, ganz lange Zeit mit einer ganz krassen Geschichte.

Constanze

Die auch sehr die Industrie geprägt hat. Man sieht ja in vielen Städten – also in Sachsen, oder auch im Elsass, oder rund um Basel – , also in diesen alten Zentren, wo Baumwolle verarbeitet wurde, noch diese Fabriken, in denen jetzt meistens irgendwelche Start-Up, oder Coworking-Spaces, oder Galerien oder was auch immer drinnen sind. Es ist wirklich überragend, wie sich diese Industrie auch innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelt hat, als man Ende des 18. Jahrhunderts die Technologie einmal hatte. Das kann man vielleicht auch noch mal erzählen: Der erste Schritt ist, dass man eine Maschine brauchte, die diese Samenkörner und die Samenhaare voneinander trennt. Also man muss sich das vorstellen, dass in diesen Baumwollkapseln ungefähr 30 Samen sind, von denen jede 2000 bis 7000 Samenhaare hat. Und das muss getrennt werden. Und die entsprechende Maschine wurde 1793 in Europa erfunden, die das entkernt hat, und dann auch kontinuierlich verbessert. Das ist der erste wichtige Schritt. Dann müssen die Fasern kardiert und parallelisiert werden, und versponnen werden. Und diese Spinntechnologie an sich, die ist ja schon Mitte des 18. Jahrhunderts ziemlich weit fortgeschritten gewesen. Da gab es vollmechanische Spinnmaschinen, wo praktisch Menschen nur noch die vollen Spulen wieder gegen leere auswechseln mussten. Und praktisch den Fadenanfang drumschlingen, damit das weitergehen konnte, aber alles andere lief automatisch. Und das war Ende des 18. Jahrhunderts auch auf Baumwolle ausgerichtet, dass das versponnen werden konnte. Und wurde in riesigen Fabriken gemacht, und nicht mehr in so kleinen Hausindustrien. Und mit den Webstühlen ist es ähnlich, also Mitte des 18. Jahrhunderts war die Technologie da ziemlich ausgereift, und dann stand der Massenproduktion nichts mehr im Wege.

Constanze

Und man muss auch daran denken, dass ja auch in Europa dafür Menschen ausgebeutet wurden. Dass die Weber und Spinner in diesen Fabriken auch sehr schlechte Arbeitsbedingungen hatten. Und das ging eine Weile, bis die alle gewerkschaftlich organisiert waren. Und dann sind diese Fabriken halt auch wieder in den Süden gezogen. Also Indien war erst der Rohstofflieferant, fast ausschließlich. Da gab es nur lokale Industrien, zwar auch schon seit sehr, sehr langer Zeit, über Hunderte von Jahren, auch mit großem Expertentum. Aber als das in Europa mit der Ausbeutung nicht mehr so lief, sind die Fabriken halt wieder zurückgewandert.

Gabriele

Da wo man besser Leute ausbeuten kann.

Constanze

Ja, genau. Und in Nord- und Südamerika genauso. Da gab es so eine Wanderungsbewegung, dass die baumwollverarbeitende Industrie in den Nordstaaten war. Und als da die Menschen zu gut gewerkschaftlich organisiert waren, und vielleicht auch andere Erwerbsmöglichkeiten hatten, ist das in die armen Gebiete der Südstaaten gewandert. Das ist Kapitalismus. Der Kapitalismus geht immer dahin, wo die Arbeitskraft am billigsten ist und wo es am wenigsten Widerstand gibt, sie auszubeuten.

Gabriele

Wo man am meisten Profit draus schlagen kann.

Constanze

Ja. Vielleicht müssen wir noch irgendwas finden, um mit einer etwas positiveren Note aus diesem Podcast zu gehen.

Gabriele

Ja, ich habe mir gerade überlegt, wenn ich mir wieder das [Produktleben vorstelle]: Wo kommt es her? Was macht man damit? Und was ist dann am Ende des Lebens von diesem Material? Also: Wo kommt es her? Haben wir gesagt, Anbau in Ländern des Südens. Braucht ganz viel Wasser. Wird zum großen Teil in Monokulturen angebaut von Menschen, die damit nicht viel verdienen. Was passiert dann damit? Es wird versponnen, verwebt, zu Kleidungsstücken gefertigt. Und was ist dann am Ende des Lebens? Also grundsätzlich wäre ja Baumwolle ein natürliches Produkt, das man auch wieder kompostieren könnte. Wenn man denn wüsste, mit was es alles behandelt worden ist? Welche Farbstoffe da drauf sind? Wie es ausgerüstet auch noch geworden ist, und so weiter? Und meistens werden ja Kleidungsstücke aus Baumwolle auch nicht mit Baumwollfaden genäht, sondern mit Polyestergarnen.

Constanze

Oder ist es sowieso eine Mischung mit Polyester ganz oft. Oder Elasthan.

Gabriele

Oder ist es sowieso eine Mischung. Also was passiert am Ende des Lebens damit? Recyclingfähig – zum Teil. Aber nachdem die Fasern ja von Anfang an so kurz sind, ist das mit dem Recycling denke ich auch nicht so [einfach]. Aber da machen wir ja noch eine Folge dazu, hast du gesagt. Zu Baumwollrecycling wird es noch eine extra Folge geben. Ja, also im Grunde wäre es ja ein natürliches Produkt, wenn es nicht gemischt würde. Und dann könnte man es ja grundsätzlich auch kompostieren. Wenn man selber näht, hat man es vielleicht bis zu einem gewissen Grad in der Hand. Wenn ich selber mir Biobaumwoll-Stoff kaufe, und auch mit einem Baumwoll- oder Seidenfaden vernähe, dann könnte ich das auch am Ende des Lebens kompostieren, oder vielleicht lebensverlängernd weitergeben. Wenn das eine gute Qualität hat. Genau, weil eins… Ah, mir fällt das mit dem positiven Abschluss so schwer! Weil halt auch ganz viele von diesen T-Shirts, die man halt so billigst kauft, so eine schlechte Qualität haben im Endeffekt. Dass das so ein dünnes Material ist, dass es auch extrem schnell Löcher kriegt, und eigentlich gar nicht mehr richtig gut weiter verwendbar ist. Und das ist gerade am Ende von so einer Wahnsinns-Produktionskette so traurig! So traurig! Was da Energie, und Wasser, und Menschenleben drinnen steckt! Und dann kriegt man am Ende ein Produkt verkauft, um ein paar Euro das so schleißig ist. So schlechte Qualität. Mir blutet das Herz. Tatsächlich. Ich mag schon gar keine Baumwollsachen mehr. Aber es ist schwierig. Du kommst eigentlich dem [nicht aus]. Da muss man wirklich schon sehr enthusiastisch sein, dass man sich Alternativen zu Baumwolle sucht, und nach Quellen sucht, wo man das herbekommt. Also wenn ich an meinen, unseren Haushalt denke: Es ist die Bettwäsche aus Baumwolle. Die Geschirrtücher sind teilweise Leinen, weil da habe ich eine gute Quelle für Leinen. Aber die Handtücher, und auch wahrscheinlich 80 bis 90 % unserer ganzen Kleidung, ist alles Baumwolle. Also Baumwolle ist so omnipräsent, wenn es nicht gerade Polyester ist.

Constanze

Ja, es lässt sich wirklich kaum ersetzen. Bei Haushaltswäsche wäre jetzt mein Weg, wenn ich noch mal was bräuchte… – da wir von Omas und so auch ganz viel bekommen haben, ist das nicht der Fall – aber wenn ich was bräuchte, mir irgendwas fehlt, dann würde ich tatsächlich Second Hand gucken. Also hier sind die Flohmärkte, oder Trödlerläden oder auch diese Gebrauchtwarenkaufhäuser, da gibt es massenweise Bettwäsche zum Beispiel aus den 1960er Jahren. Diese Aussteuer-Bettwäsche, die damals in Massen verschenkt wurde, weil jedes Mädchen ja einen Bettwäschevorrat brauchte, der fürs Leben reicht. Und die sind teilweise überhaupt nicht benutzt, die sind manchmal noch verpackt. Und die Stoffqualität war damals noch viel besser als heute. Das sind total hochwertige Sachen, die nicht benutzt sind, und die man wirklich für ein paar Euro bekommt. Das ist sicherlich nicht was für jeden, und ich kann auch verstehen, wenn andere Leute das irgendwie ein bisschen seltsam finden. Aber ich würde tatsächlich Second Hand schauen. Also bei Bettwäsche, Geschirrtüchern, das findet man eigentlich in sehr, sehr guter Qualität für sehr wenig Geld.

Gabriele

Gut. Wir haben jetzt doch noch ein positives Schlusswort gefunden. Was kann ich selbst tun, um der unausweichlichen Baumwolle noch ein bisschen was Positives abzugewinnen? Gut. Wie gesagt, es wird wahrscheinlich noch mindestens eine Folge folgen müssen zum Thema „Baumwolle historisch“, weil wir da auf Literatur gestoßen sind, Constanze und ich, die so spannend ist, dass wir sie euch nicht vorenthalten können. Und es wird auch wahrscheinlich im Frühsommer mal eine Folge geben zu Baumwollrecycling.

Constanze

Ja, ich freue mich.

Gabriele

Ich mich auch.

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6 Kommentare zu „Faserserie: Baumwolle und Kapitalismus (Podcast #016)“

  1. Hallo, das war wieder mal eine interessante Folge. Mich würde interessieren, ob ihr einen Link einstellen könnt, wo man die genannten Leinengeschirrtücher erwerben kann.

  2. Danke für diese von mir bereits sehnsüchtig erwartete Folge über Baumwolle!
    Ich habe sie mir gestern angehört.
    Bis jetzt hatte ich vor allem den hohen Wasserverbrauch und die eingesetzten Chemikalien, aber weniger die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen auf dem Schirm.
    Danke, dass ihr daran erinnert!
    Meine neuen Erkenntnisse werde ich in meinen neuen Artikel über nachhaltige Garne einfliessen lassen!

  3. Pingback: Warum es sich lohnt auf nachhaltig und fair hergestellte Stoffe und Garne zu achten - GREEN NEEDLE

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