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gestreifter Teppich mit Namen der Schafrassen, die darin verarbeitet wurden, Teppich von Sandra Grünberger

Bericht vom “Wollsymposium – Zukunft für regionale Schafwolle” in Ebensee

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Aktualisiert am 4. August 2024.

Im Juni 2024 habe ich eine Woche in Ebensee im Salzkammergut verbracht: prallvoll mit Eindrücken, reich beschenkt durch die vielen schönen Begegnungen mit Menschen, die ebenso für regionale Wolle brennen wie ich. Eine ganze Woche schwelgen in Schafwolle: Rohwoll-Vliese sortieren, waschen, kardieren und kämmen, spinnen und/oder filzen. Im Austausch mit Künstler:innen und Schafscherer:innen, mit Spinner:innen, Schafwoll-Interessierten und Gewerbetreibenden. Die Woche war prallvoll, und erfüllend, und einfach nur schön. Der Versuch einer Zusammenfassung.

[Titelbild: Schafwollsorten-Wandteppich von Sandra Grünberger]

Das Projekt “Einen Faden ziehen – Drawing a thread” im Rahmen der Kulturhauptstadt 2024 – Bad Ischl/Salzkammergut umfasst drei große Bereiche: (1) Den Anbau von Leinen/Flachs in der Region wiederbeleben; (2) regionale Wolle verstärkt wieder verwenden; (3) die vernachlässigte Ressource Altkleidung nutzen. Über das Programm und die Ziele von “Einen Faden ziehen” habe ich mit der Organisatorin Gabriele Schuller in dieser Podcastfolge gesprochen.

Das Schafwoll-Symposium vom 24.-28. Juni 2024 fand im Gebäude der ehemaligen Hauptschule in Ebensee statt, deren Räume im Erdgeschoss immer noch für Sportkurse und als Probenräume für lokale Musiker:innen verwendet werden. Die Klassenräume in den oberen Stockwerken stehen leer, und wurden von dieser Veranstaltung bespielt. Das Symposium verstand sich als Veranstaltung zur künstlerischen und handwerklichen Erforschung der Wolle von Schafen aus der Region. Es bot die Gelegenheit zum gemeinsamen Werkeln und zur Vernetzung von Expert:innen, Handwerker:innen, Landwirt:innen, Unternehmer:innen und Wollbegeisterten.

Das Team, das die Woche über zusammenarbeitete und die Programmpunkte bespielte bestand aus den Filz-Künstlerinnen Petra Riedl-Mandak und Constanze Kroeg, den Spinnerinnen Martina Riedlmayer und Sandra Grünberger, dem Vollzeit-Schafscherer Markus Kücher, sowie der Schafwollexpertin Kathrin Sonnemann, die aus Deutschland angereist war. Ich war als Moderatorin für die Podiumsdiskussion am Freitag engagiert, und ebenfalls schon ab Montag dabei. Hannah Charpin begleitet das Projekt “Einen Faden ziehen” das ganze Jahr über als Fotografin und Kamerafrau. Isaak Leiter war mit seinem “Kardomat” anwesend, dazu die beiden Organisatorinnen Eva Fernbach und Gabriele Schuller.

Montag und Dienstag: “Expertentage”

Die ersten beiden Tage der Woche dienten sozusagen dem Zusammenfinden der heterogenen Gruppe von Menschen, die sich vorher nur peripher oder gar nicht gekannt hatten.

Der Vollzeit-Schafscherer Markus Kücher und sein Team hatten im Vorfeld 110 Rohwollvliese von 30 verschiedenen Schafrassen und Mischungen zusammengetragen. Diese wurden in einem Raum im ersten Stock der Hauptschule gelagert, wo auch einer der beiden Sortiertische aufgebaut war.

Zum Glück war uns das Wetter hold (sprich: es war frühsommerlich heiß), sodass wir die Wasch-Station mit mehreren Heißwasserkesseln, Maurertrögen und einer Wäscheschleuder, die unter einem Zelt vor dem Schule aufgebaut worden war, gut nutzen konnten.

Gewaschen wurde hauptsächlich mit reinem Wasser; einem Bottich war Natron zugegeben, und einem etwas Essig zum Spülen. Für den Hausgebrauch, oder die Verwendung der Wolle im künstlerisch-handwerklichen Bereich ist diese Waschmethode geeignet und erlaubt.

Am zweiten Tag hielt Kathrin Sonnemann einen Workshop für ein Team junger, hauptberuflicher Schafscherer:innen. Es war sehr spannend zu sehen, wie diese Leute, die im Jahr hunderte Schafe scheren, einen anderen, neuen Zugang zu dem Rohmaterial bekamen, mit dem sie täglich zu tun haben. Beim Schafscheren geht es meistens um Schnelligkeit und weniger um die Wollqualität. Gleichzeitig haben die Schafscherer:innen den direktesten Kontakt zu den landwirtschaftlichen Betrieben. Sie können auf die Gegebenheiten bei der Schur einwirken, und könnten als Multiplikator:innen Hinweise für bessere Wollqualität geben. Es wurden auch Möglichkeiten angedacht, Informationen für bessere Wollqualität in die Ausbildung von Scherer:innen einfließen zu lassen.

Mittwoch: Publikumstag “Filzen”

Ab Mittwoch war die Veranstaltung auch für interessiertes Publikum geöffnet. Über den Tag verteilt kamen rund 70 Besucher:innen, die in der Regionalzeitungen und über den Newsletter der Kulturhauptstadt von der Veranstaltung erfahren hatten.

Im Raum fürs Filzen standen Tische und Mengen kardierter Wolle bereit, an den Wänden hingen gefilzte Beispiele aus unterschiedlichen Wollen. Unter Petras und Constanzes fachkundiger Anleitung entstanden individuelle Werke. Zunächst musste aber jede:r Besucher:in ein Stück “Faden” Filzen. Die Stücke wurden zu einem längeren Faden zusammengefügt, der ein Teil der finalen Ausstellung im November 2024 sein wird.

Es war schön zu sehen, wie individuell die Personen an die Aufgaben herangingen, und welche gefilzten Kunstwerke entstanden: Sitzflecke, “veganes Fell” (das so heißt, weil kein Tier dafür stirbt: ein geschorenes Vlies wird von der Rückseite her gefilzt), dreidimensionale Kunstwerke.

Am Mittwoch wurde beim “Kardier- und Kämm-Abend“… kardiert und gekämmt. Viele kamen einfach so, aber eine Gruppe von drei älteren Schwestern brachte einen besonderen Schatz mit: Einen Jutesack voller gewaschener, weißer Wolle, vermutlich vom Bergschaf, der 45 Jahre lang in einem Schuppen gelagert hatte. Nun wollte ihre alte Tante wieder zu spinnen beginnen. Die Schwestern saßen, erzählten, zupften Wolle, und gingen mit einem guten Teil kardierter, spinnfertiger Wolle wieder nach Hause.

Isaak Leitners “Kardomat 4900” war im Dauereinsatz. Er ist 40 cm breit, 60 im Umfang und die Geschwindigkeit stufenlos einstellbar. Wenn genügend Wolle vorbereitet (gezupft) ist, geht das Kardieren damit recht flott. Bei Interesse am Kardomat wenden Sie sich am besten direkt per Mail an Isaak.

Donnerstag: Publikumstag “Spinnen”

Der Donnerstag stand unter dem Motto “Spinnen”. An diesem Tag waren die Besucher:innen aufgefordert, an einem “roten Faden” mitzuspinnen, den Sandra Grünberger zu einem “roten Teppich” für die heimische Schafwolle weiter verarbeiten wird. Es konnten aber natürlich auch die ungefärbten, gewaschenen und getrockneten Vliese versponnen, unterschiedliche Schafrassen ausgetestet werden.

Es war eine feine, gesellige Runde. Einige Menschen – darunter auch Markus, der Schafscherer – haben ihre ersten Meter Faden gesponnen. Man konnte viele verschiedene Spinnräder ausprobieren, die mitgebracht worden waren, und unter fachkundiger Anleitung unterschiedliche Spinnmethoden ausprobieren.

Freitag: Woll-Markt und Podiumsdiskussion

Am Freitag schließlich gab es einen kleinen Woll-Markt mit Produkten aus regionalen Schafwollen: Spinnfutter, fertige Strickwolle und Filzprodukte von Martina Schlöglmann/ Vollschaf, Martina Riedlmayer/ WollLand, Kathrin Falkensteiner/ Kreativhof Wastlmann und Sandra Grünberger/ Herz.Kopf.Hand.Werkerin.

Die Podiumsdiskussion am späteren Nachmittag, die ich moderiert habe, stand unter dem Motto„Was braucht es bei der kleinbäuerlichen Wollernte im Salzkammergut, damit heimische Textil-Handwerker*innen mit diesem wertvollen Rohstoff arbeiten können?“

Wir sprachen darüber, wie ein landwirtschaftlicher Betrieb aufgestellt sein soll, damit eine möglichst optimale Wollqualität herauskommt, und wie die anwesenden Leute das in ihren Betrieben konkret umgesetzt haben. Und wir sprachen über konkrete Beispiele, wie kleine Vermarkter ihre Liefer-, Verarbeitungs- und Absatzketten organisiert haben.

Ich habe die Diskussion aufgezeichnet. Wenn die Tonqualität gut genug ist, wird daraus eine Podcastfolge. (Sonst eine Zusammenfassung.)

Samstag: Abschluss

Am Samstag gab es noch eine interne Abschlussbesprechung und allgemeines Zusammenräumen.

Es war eine ganz besondere Woche für alle Beteiligten: So viel Zeit mit Menschen zu verbringen, die für das gleiche Thema brennen; so intensiv zusammenzuarbeiten, das verbindet. So bilden sich Freundschaften.

Im November werden wir uns bei der Eröffnung der Abschluss-Ausstellung in Ebensee wieder treffen. Ich bin sehr gespannt darauf, welche Kooperationen und Projekte sich noch aus dieser intensiven Woche ergeben.

Reich beschenkt mit Eindrücken, und mit einer großen Menge Spinnfutter, bin ich nach Hause gefahren. Danke, dass ich bei dieser Woche dabei sein durfte!


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