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Erdnuss, Soja und Mais

Faserserie: Eiweißfasern (Podcast #031)

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Aktualisiert am 18. Mai 2024.

Fasern aus Milch-, Erdnuss-, Soja- oder Maisproteinen werden heute als vegetarische oder vegane Alternativen zu Seide und Wolle vermarktet. Das Prinzip, aus Eiweiß Fasern herzustellen, wurde schon Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden, geriet jedoch mit dem Aufkommen synthetischer Fasern auf Erdölbasis in Vergessenheit. In dieser Podcastfolge unterhalten sich Gabriele Brandhuber und Constanze Derham über Verfahren der Herstellung und Anwendungsgebiete.

Eiweißfasern sind synthetische Fasern auf der Grundlage natürlich vorkommender Eiweiße aus Milch, Sojabohnen, Mais oder Erdnuss. Die Proteine, zum Beispiel aus den Überresten der Tofuproduktion oder aus Pressrückständen bei der Produktion von Soja- oder Erdnussöl, werden mit Hilfe von Enzymen oder Chemikalien extrahiert und ihre Form so verändert, dass eine spinnbare Eiweißlösung entsteht. Sie wird durch Spinndüsen in ein Spinnbad gespritzt, wo sie zu Fasern gerinnt. Dieser Produktionsprozess ähnelt in vielerlei Hinsicht der Produktion von Viskose, also von Kunstfasern auf der Grundlage von Cellulose. Wie bei Viskose sind die verwendeten Hilfsstoffe und Lösungsmittel zum Teil sehr giftig, werden heute allerdings meistens in geschlossenen Produktionskreisläufen aufgefangen und gelangen nicht in die Umwelt.

Eiweißfasern sind sehr weich, leicht und etwas elastisch. Sie nehmen Farbe so gut an wie Wolle, sind dabei aber filzfrei, maschinenwaschbar, knittern und schrumpfen nicht. Solche Eiweiß-Regeneratfasern – so die technische Bezeichnung – werden in ganz unterschiedlichen Textilien verwendet, zum Beispiel als hautfreundlicher, glatter Soja-Modal-Jersey für Unterwäsche oder in der Quiltwattierung “Vlieseline 278 Soya-Mix”. Soja- und Milchfasern können aber auch den Charakter von Wolle oder Seide annehmen und werden oft als „vegane Seide“ oder „vegetarisches Kaschmir“ vermarktet.

Schon in ihren Anfängen in den 1930er- und 1940er-Jahren sollten Eiweißfasern Wolle ersetzen: Wolle war in den Kriegsjahren in den USA und in Großbritannien rationiert, während nicht mehr als Nahrung oder Tierfutter nutzbare Abfälle aus der Lebensmittelproduktion vorhanden waren und auf diese Weise verwertet werden konnten. In den USA gründete der Autofabrikant Henry Ford das “Edison-Institute”, um die Möglichkeiten der Sojabohne als Rohstoff erforschen zu lassen. Ein „Soja-Auto“ enthielt Sojaöl in der Lackierung, Sojamehl als Füllstoff in Kunststoffteilen der Karosserie und Sojafasern in den Bezugsstoffen der Sitze. Ford trat selbst bei einem PR-Termin in einem „Soja-Anzug“ auf – allerdings enthielt der Anzugstoff in Wirklichkeit nur einen geringen Anteil Sojafasern und bestand zum größten Teil aus Wolle.

Auch in Japan und Italien wurde zu dieser Zeit mit Eiweißfasern experimentiert. Mit der Erfindung der Kunstfasern auf Erdölbasis gerieten Eiweißfasern allerdings für Jahrzehnte ins Hintertreffen, denn erdölbasierte Fasern waren billiger zu produzieren.

Der Wunsch nach kompostierbaren, umweltfreundlichen Kunstfasern aus natürlichen Rohstoffen als Alternative zu erdölbasierten Fasern, die für immer in der Umwelt verbleiben, führte in den letzten Jahren zu einem erneuerten Interesse an Fasern aus Eiweiß. Die Produzenten von Eiweißfasern betonen, dass ausschließlich Abfälle der Nahrungsmittelproduktion, die auch als Tierfutter nicht mehr verwertet werden können, für die Fasererzeugung verwendet werden.

Die Frage, ob Fasern aus Ausgangsstoffen, die auch als Nahrung dienen könnten, tatsächlich ein ethisch verantwortlicher und wirtschaftlich nachhaltiger Weg in der Textilproduktion sind, lässt sich dabei nicht so leicht beantworten. Auch Faktoren wie die Rodung von Regenwäldern für den Sojaanbau zum Beispiel in Brasilien und das Entstehen von Treibhausgasen bei der Milcherzeugung müssten in die Beurteilung einfließen. Momentan sind Eiweißfasern noch ein Nischenprodukt, denn ihre Produktion ist immer noch teurer als die Herstellung erdölbasierter Kunstfasern.

Quellennachweis: Das Beitragsbild zeigt eine Erdnusspflanze (aus Flore d’Amérique, Paris 1843-46), Sojabohne (Anonym, 1804, Leiden University Library CC BY 4.0) und eine Maispflanze (Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz, Gera 1903).

  • 00:01:00 Wie werden eiweißbasierte Fasern hergestellt?
  • 00:03:25 Henry Ford in den 1930ern in den USA
  • 00:06:24 Textilien aus Lebensmitteln herstellen?
  • 00:09:31 Eigenschaften der Fasern: weich, stabil, laugenresistent
  • 00:14:45 Wie nachvollziehbar sind die Lieferketten?
  • 00:17:48 Weniger konsumieren, auf Qualität achten
  • 00:21:20 Schlusswort
Gabi

Ich habe heute wieder Constanze Derham zu Gast und wir unterhalten uns heute über eiweißbasierte Fasern. Herzlich willkommen, Constanze.

Constanze

Ja, hallo.

Gabi

Eiweißbasierte Fasern, was kann ich mir denn darunter vorstellen?

Constanze

Das sind Fasern aus zum Beispiel Sojabohnen, oder Mais, oder Erdnüssen, oder auch Milch, wo die Eiweiß-Bestandteile der jeweiligen Stoffe herausgelöst werden. Zum Beispiel das Kasein oder eben das Soja-Eiweiß, aus dem man ja auch Tofu machen kann. Und diese Eiweiß-Bestandteile werden dann durch diverse chemische Umwandlungsprozesse verflüssigt in so eine Spinnlösung, die dann in ein nasses Spinnbad, also meistens ein säurehaltiges Spinnbad, ausgesponnen wird. Und da entsteht so ein Filamentfaden. Der Prozess ist eigentlich ganz ähnlich wie bei der Viskose-Herstellung, wo man das ja auch kennt, dass die Zellulose aufgelöst wird und dann mit verschiedenen Stoffen ein bisschen reifen muss und dann ausgesponnen wird. Nur dass man bei den Fasern aus Eiweiß nicht Zellulose verspinnt, sondern Eiweiß. Das ist also eine synthetische Faser, die aber auch aus natürlichen Bestandteilen besteht, weil diese Aminosäuren, die den Ausgangspunkt bilden, die sind am Ende auch wieder in der Faser drin, nur eben anders angeordnet und anders vernetzt, sodass das eine gewisse Festigkeit kriegt.

Gabi

Also ich bin immer wieder ganz verblüfft, wie man auf die Idee kommt.

Constanze

Ja, das ist spannend. Aber eigentlich ist Käse machen, wenn man von Milch ausgeht, ja auch so ein ähnlicher Prozess. Also dass man die Flüssigkeit zum Gerinnen bringt durch bestimmte Stoffe, und dann das Eiweiß ausfiltert. Und bei der Tofu-Produktion ist es auch so, dass man das Eiweiß durch bestimmte Stoffe zum Ausfällen bringt. Und die Faserproduktion ist dann sozusagen nur eine Abart davon, wo man dann andere Chemikalien verwendet, um ein anderes Endprodukt zu bekommen. Aber letztlich auch so ein Prozess, wo Eiweiße umgewandelt werden.

Gabi

Wie heißt so ein Stoff, der aus Eiweiß hergestellt wird? Da gibt es ja sicher irgendwelche Bezeichnungen und auch Markennamen, oder?

Constanze

Ja, also theoretisch redet man von “Eiweiß-Regeneratfasern”. Es gibt dann verschiedene Markennamen. Also Soja wurde schon in den 1930er-Jahren entwickelt wurde, vor allem in den USA. Da gibt es ganz schöne Anekdoten dazu, weil Henry Ford sich da wohl sehr mit der Sojaproduktion und dem, was man alles aus der Sojabohne machen kann, beschäftigt hat. Da gab es dann Bestrebungen, dass man in diesen Ford Autowerken die Sojabohne in jedem Produktionsschritt verwendet, also dass das Sojaöl in die Lackierung kommt. Dass man Sojamehl als Füllstoff in Kunststoffe macht. Da gab es dann sogar ein Auto mit Soja-Karosserie in den 40er-Jahren. Und man hat eben aus Sojabohnen auch Fasern hergestellt für die Sitzbezüge. Und in den 1930ern hat Henry Ford das total propagiert. Er hat wohl auch in den Kantinen Sojamilch und Tofu propagiert. Er hatte da so ein Forschungsinstitut etabliert. Der ist dann auch mal in einem Sojafaser-Anzug aufgetreten, wobei der wohl in Wirklichkeit nur zu 25 Prozent aus Soja-Fasern bestand, und der Rest war Wolle. Aber der war halt für öffentlichkeitswirksame Sachen immer zu haben, hat dann auch eine Krawatte aus Sojafasern verschenkt und solche Geschichten. Also das war in den 1930ern und 1940ern eine ganz große Sache.

Und ähnlich war das auch mit den Fasern aus Milch zum Beispiel. Da gab es in Italien Firmen, die das hergestellt haben. Das hieß dann “Lanital”. Da wurde das Milchprotein zu Fasern verarbeitet. In den USA hieß dieselbe Faser “Aralak”. Das war dann im zweiten Weltkrieg auch so ein Wollersatz, weil Wolle halt rationiert war und man für die ganzen Uniformen Wolle brauchte. Maiseiweiß und Erdnuss war dann auch so was, womit man das gemacht hat. Und diese Milchfaser-Stoffe, die sind 2018 in Deutschland wieder aufgetaucht. Da gab es nämlich ein Startup, das diese Fasern wieder neu propagiert hat. Soweit ich weiß, ist da der Produktionsprozess ein bisschen anders als in den 30er-, 40er-Jahren. Also ein bisschen weniger aggressive Chemikalien. Ohne Formaldehyd zum Beispiel, was man früher verwendet hat. Und mit so einem geschlossenen Wasser- und Chemikalien-Kreislauf. Und die Faser, die dann wieder auf den Markt kam, die heißt QMILK. Also der Buchstabe “Q” und dann “milk”. Das ist eine Faser, die dann auch in Zusammenhang mit Modal für Unterwäsche, Jersey und solche Anwendungen verwendet wurde. In kleinen Mengen halt immer. Aber das ist wieder auf den Markt gekommen.

Gabi

Ja, die erste Frage, die sich mir da stellt, ist: Wie sinnvoll ist es denn Lebensmittel – also eigentlich Produkte, die ich eigentlich essen könnte – zu Textilien umzuarbeiten durch chemische Prozesse? Irgendwie denke ich, es gibt ja immer wieder Leute, die sagen: So viel Platz haben wir ja gar nicht, um textile Fasern anzubauen. Man sollte doch lieber schauen, dass diese landwirtschaftlichen Flächen für Lebensmittelproduktion verwendet werden. Und dann kommt jetzt jemand daher und macht aus Soja und Erdnüssen und Milch Fasern? Wie schätzt du das ein?

Constanze

Ja, ich finde das sehr schwer zu bewerten. Also es wird von den Produzenten immer gesagt, dass da nur Beiprodukte der Lebensmittelindustrie – also Abfälle aus der Tofu-Produktion zum Beispiel – verwendet werden. Oder Milch, die so verdorben oder verunreinigt ist, dass man sie nicht mehr konsumieren kann und auch nicht als Tierfutter verwenden kann. Also die sagen immer sehr deutlich, und das ist aber natürlich auch Teil des Marketings, dass es sich eigentlich nicht mehr Lebensmittel handelt, die irgendwie als Tier- oder Menschenfutter geeignet wären. So nach dem Motto: Wir verwenden da Abfälle oder Beiprodukte oder Verunreinigtes, was sonst weggeworfen werden würde. Und da kann sich fragen, inwieweit das stimmt? Oder ob nicht eine Nachfrage nach solchen Beiprodukten praktisch auch die Nachfrage allgemein nach Milch oder Soja ankurbelt. Da bin ich auch ehrlich gesagt noch nicht zu einem Schluss gekommen. Es ist halt auch so, dass zumindest bei den Sojafasern ich gelesen habe, dass es da auch überhaupt keine transparenten Produktionsprozesse gibt. Also nicht diese Zertifizierungen, wie man sie von den Öko Labels kennt, dass dann die gesamte Produktionskette durchleuchtet wird. Sondern es sind halt Reststoffe, Beiprodukte aus der Tofu-oder Sojabohnen- oder Sojaöl-Produktion, die irgendwie in diese Firmen gelangen. Aber wahrscheinlich sind es ja Gentechnik-veränderte Sojabohnen. Weil die meisten Sojabohnen, die angebaut werden, sind genetisch verändert. Und möglicherweise sind es Sojabohnen, für die in Brasilien oder Argentinien Wald gerodet wurde, um sie anbauen zu können, aber das weiß man einfach nicht.

Gabi

Mhm. Man kann es nicht nachvollziehen.

Constanze

Weil diese textile Kette erst dann einsetzt, wenn diese Beiprodukte in der Textilproduktion angelangt sind. Also nach dem, was ich gelesen habe, ist das gerade bei dieser Sojafaser alles so ein bisschen undurchsichtig, was davor passiert. Und insofern lässt sich das eigentlich gar nicht richtig beurteilen, ob das eine sinnvolle Sache ist oder nicht.

Constanze

Man muss ja auf der anderen Seite auch wieder betrachten: diese Fasern haben Seiden-ähnliche oder Woll-ähnliche Eigenschaften. Sind nur viel weicher und auch stabiler als Wolle und Seide. Also maschinenwaschbar zum Beispiel weil sie nicht filzen und nicht so empfindlich gegenüber Laugen sind. Dass die dann auf der anderen Seite auch tierische Fasern ersetzen könnten. Also wenn man die Ökobilanz zum Beispiel von Kaschmirwolle und so einer Sojabohnen- oder Milchfaser, die ähnliche Eigenschaften hat und sich ähnlich anfühlt, wenn man das dann vergleicht, dann ist die Rechnung natürlich noch mal wieder eine andere. Weil das Produzieren von tierischen Fasern wie zum Beispiel Kaschmir ja auch äußerst umweltschädlich ist. Also vielleicht ist das “vegetarische oder vegane Kaschmir” dann doch die bessere Alternative.

Gabi

Ja. Wobei die Frage, die sich mir jetzt stellt, ist: Wo wird das produziert? Also welche Länder produzieren solche Eiweißfasern? Und dann halt, wie du schon gesagt hast, der ökologische Fußabdruck. Wenn du jetzt sagst, dieses Startup-Projekt in Deutschland, die haben weniger aggressive Chemikalien verwendet und achten auf geschlossene Kreisläufe, dann schwingt für mich gleich wieder mit: „Okay, in Deutschland: geschlossene Kreisläufe. Aber wo wird es denn noch produziert? Und wird dort auch auf dieselben Umweltstandards so geachtet wie bei uns?

Constanze

Ja, gute Frage. Ehrlich gesagt habe ich dazu nichts finden können, wo diese Fasern produziert werden. Das ist ja auch ein recht kleiner Anteil bisher, an der Faserproduktion. Es ist dann immer so, dass die Firmenzentralen irgendwo in Europa oder Japan sitzen, aber ob die wirklich da Produktionsstätten haben? Da müsste man noch mal anders recherchieren, als ich es jetzt gemacht habe.

Gabi

Alles gut. Eine Frage wäre von mir gewesen: die Eigenschaften der Faser. Das hast du schon beantwortet: sehr leicht, sehr weich, aber auch stabil und säurerresistent. Nein! Laugen-resistent hast du gesagt.

Constanze

Ja, genau. Und maschinenwaschbar. Und so gut färbbar wie Wolle. Das ist halt eine Eiweißfaser und hat dann auch diese satten Farben, die man bei Färbung auf Wolle erzielen kann. Ich habe Milchfaser tatsächlich auch hauptsächlich bisher als Strickgarn gesehen, als Handstrickgarn zum Beispiel von Lana Grossa gibt es das. Das fühlt sich wirklich sehr gut an. Das hat wirklich eine Kaschmir-ähnliche Weichheit und ist aber eben kein Tierhaar. Also es ist schon nicht schlecht. Ein sehr schönes Garn. Und das soll auch ziemlich stabil sein. Also anders als Viskosegarn nicht ausleiern, sondern ziemlich formstabil sein. Auch sehr wärmend, also ähnlich wie Wolle. Und dann eine zweite Anwendung, die ich bisher gesehen habe, das ist die “Vlieseline 278: Soja-Mix”. Das ist so ein Volumenvlies. Das besteht zu 50 % aus Soja und 50 % Baumwolle. Das ist im Grunde wie so ein Baumwoll-Quiltvlies, nur ein bisschen leichter, weil diese Eiweißfasern leichter sind, also vom spezifischen Gewicht her, als Viskose. Und schön flauschig. Auch eher diese Festigkeit des Baumwollvlieses, aber eben nicht so schwer.

Gabi

Okay. Weil jetzt für Kleidung oder als Stoff, damit ich Bekleidung draus nähen kann, für Hobby-Näherinnen eher nicht noch erhältlich?

Constanze

Ich habe schon gefunden, dass es ein Jersey mit Modal gemischt gibt, so eine Art Unterwäsche-Material. Dafür wird das auch besonders empfohlen, weil diese Stoffe sollen sehr hautfreundlich sein, also überhaupt nicht hautreizend. Anders als eben wollige Sachen, die ja viele Leute nicht vertragen. Das kratzt halt wirklich überhaupt nicht. Das gibt es schon manchmal tatsächlich als Stoff. Und ich glaube, so einen Stoff mit Milchfasern, also so eine Art Tencel-ähnlichen Webstoff habe ich auch schon mal online gesehen.

Gabi

Ja, und ich glaube, etwas gesehen zu haben, das tatsächlich als fertige Unterwäsche angeboten wurde. Also jetzt nicht zum Selbermachen, sondern dass quasi eine “Brand” daraus tatsächlich Unterwäsche produziert hat und das auch zum Verkauf anbietet. Müsste ich jetzt noch mal nachschauen, wo ich das gesehen habe, eventuell. Ich bin gerade am Überlegen, ob mich das jetzt anspricht oder nicht anspricht, die Eiweißfaser. Also es klingt als Material ganz toll. Ich bin halt immer leicht skeptisch. Oder sagen wir so: Ich mag es halt gerne, wenn ich nachvollziehen kann, woher die Sachen kommen. Das war ja auch schon im Lieferkettengesetz, dass man die Lieferketten nachvollziehbar machen können soll. Oder, was ich in den letzten Wochen so ein bisschen auch gelernt habe, ist… Anita Pavani hat damals in dem Interview gesagt: Die einen stehen auf Marken, die anderen halten sich an Labels, aber keiner erkennt mehr wirklich gute Qualität. Und gerade bei dieser Wollreise, die ich da unternommen habe vor zwei, drei Wochen, wo es dann auch noch mal Podcastfolgen dazu geben soll über die Betriebe, die ich da besucht habe. Da war bei einem Betrieb so die Aussage… Also da ging es um eine Spinnerei, die die Strickgarne herstellt, und der Besitzer hat gesagt: Er hat Kooperationspartner oder Lieferanten der Fasern, die er da verspinnt, mit denen hat schon sein Vater zusammengearbeitet und er auch seit vielen Jahrzehnten. Und bis zu einem gewissen Grad muss man dann darauf vertrauen können, was die Lieferanten einem erzählen, was da drinnen ist und woher das kommt. Also das immer Nachvollziehen der gesamten [Liefer-]Kette ist so aufwendig oft, gerade in diesem Textilbereich, und so umständlich, dass er gemeint hat: Er vertraut seinem Lieferanten. Und wenn der seinem vorhergehenden Lieferanten in der Lieferkette vertraut; wenn man das so aufbaut auf Vertrauen, dann muss es nicht unbedingt immer ganz nachvollziehbar sein. Trotzdem habe ich es halt total gern, wenn ich weiß: Wo ist dieses Dings her und unter welchen Umständen wurde das produziert. Und das schreckt mich gerade ein bisschen von den Eiweißfasern ab, dass ich das offensichtlich nicht so genau wissen kann, wo das herkommt.

Constanze

Ich finde, das ist auch so ein Phänomen mit diesen ganzen Fasern, die so als “neu” propagiert werden in den letzten Jahren, dass da dann immer so ein Startup auf den Markt kommt, das sagt: “Wir haben jetzt die revolutionäre Methode, wo man aus Abfall Gold machen kann”, um es mal vornehm zu formulieren. “Und das ist total ökologisch und super. Und das wird unsere gesamte Bekleidung und die textile Kette und alles revolutionieren.” Und oft bleibt davon dann auch nicht mehr so viel übrig, bei näherer Betrachtung. Also es hat halt immer diese Start-Up Kultur, noch als Nebeneffekt, und das macht mich sowieso per se etwas misstrauisch macht. Auch wenn es vielleicht ungerecht ist.

Gabi

Vielleicht ist es ungerecht, da stimme ich dir zu. Es ist vielleicht, wie heißt das Sprichwort: Die neue Sau, die durchs Dorf getrieben wird oder so? Der letzte heiße Scheiß? Und manchmal denke ich: Wenn man weniger Abfall produziert in dieser ganzen Textilkette, reduziert ein bisschen, aber dafür hochwertigere Qualität und so, dann braucht man vielleicht auch nicht immer suchen nach: Was könnten wir denn als nächstes in Massen verarbeiten? Weißt du, was ich meine?

Constanze

Ja, genau. Das ist ja eigentlich das, wo wir jetzt bei jedem Podcast bisher zum Schluss draufgekommen sind, dass eigentlich keinen Weg dran vorbeiführt: Weniger zu konsumieren und auf Qualität zu achten. Und dass dann auch die Naturfasern, die wir haben, vielleicht dafür ausreichen. Es ist niemandem gedient, wenn man jetzt sagt: Wir können toll die Abfallstoffe aus der Sojaöl- und Tofu-Produktion noch anders verwerten und da Fasern draus machen, wenn man vielleicht dafür sorgen sollte, dass man nicht so viele Abfallprodukte hat. Oder vielleicht auch gar nicht so viel Sojabohnen anbaut. Weil die meisten Sojabohnen werden ja sowieso als Tierfutter verwendet, was ja auch nicht sonderlich sinnvoll ist. Fleischproduktion und so. Also das sehe ich eigentlich auch so. Das ist immer ein Versuch, quasi die Massenproduktion im textilen Sektor noch mal mit irgendwelchen anderen Materialien aufrechtzuerhalten und zu sagen: “Ah, das ist jetzt hier aber total ökologisch! Guten Gewissens könnt ihr da 30 T-Shirts im Jahr kaufen und einmal anziehen und dann wegwerfen, so irgendwie. Weil das ist ja Abfall aus eurer Tofu-Produktion, aus dem Tofu, den ihr esst.” so wird das dann ja immer dargestellt: “Da machen wir aus den Resten dann noch T-Shirts.” Und dass es so nicht läuft, weiß natürlich jeder, der sich mit Textilproduktion ein bisschen auseinandergesetzt hat.

Gabi

Wobei ich mir vorstellen kann, dass man solche T-Shirts ja tatsächlich kompostieren könnte, wenn die aus Eiweißfasern sind. Die werden ja dann einfach zersetzt, im Grunde.

Constanze

Ja, die sind kompostierbar.

Gabi

Wobei man halt nicht weiß, welche Chemikalien da sonst noch irgendwie drauf haften geblieben sind und so.

Constanze

Eben. Und wenn da Zusätze drin sind, und wenn da ein Kunstfaseranteil drin ist. Also wenn das so eine Mischung mit Modal ist, dann verrottet das zwar schon irgendwann, aber jetzt nicht in absehbarer Zeit, soweit ich weiß.

Gabi

Gut, das heißt, wir sind skeptisch gegenüber Eiweißfasern. Derzeit. Noch. Solange uns nicht das Gegenteil bewiesen wird. Oder das transparent gemacht wird.

Constanze

Ja. Wobei, es sind wunderbare Fasern, es fühlt sich toll an. Bei den Handstrickgarnen würde ich sagen: Das ist für Leute, die Woll-Allergien haben oder mit Tierhaaren nicht so klarkommen. Oder vegan leben wollen. Also wenn das aus Sojafasern besteht, hat man aber trotzdem ein Handstrickgarn, was wirklich einen wolligen Charakter hat. Das ist schon nicht zu leugnen, dass das sehr schönes Garn ist. Und es da sicherlich auch Anwendungen gibt für Leute, für die das genau das Richtige ist. Aber halt die Revolutionierung der Textilproduktion, vor allem der Massentextilproduktion, wird es wahrscheinlich eher nicht sein. Oder es ist nicht wünschenswert, dass es das wird, denke ich.

Gabi

Das finde ich ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für diesen Einblick in die Welt der Eiweiß-basierten Fasern. Und danke fürs Gespräch und bis zum nächsten Mal.

Constanze

Ja, ich danke dir. Tschüss.


Kommentare

2 Antworten zu „Faserserie: Eiweißfasern (Podcast #031)“
  1. Charlotte Yen

    Sehr geehrte Constanze, sehr geehrte Gabriele,
    Mit Interesse verfolge ich die Textilpost und bedanke mich sehr dafür.
    Fressen Motten und andere Schädlinge die pflanzlichen Eiweißfasern? Fühlt sie die Eiweißfaser eher warm an wie Wolle oder kalt wie Viskose?
    Vielen Dank von Charlotte

    1. Constanze Derham

      Liebe Charlotte,
      ob Motten diese Art von Eiweißfasern mögen, kann ich nicht beantworten. Theoretisch müssten sie sie auch fressen – aber ich könnte mir vorstellen, dass das nicht das bevorzugte Futter ist. Du kennst das ja vielleicht aus dem Kleiderschrank, wenn Motten die Auswahl haben, dann gehen sie in die beste, naturbelassenste (und teuerste) Wolle und die Socken aus Mischgarn mit Superwash-Ausrüstung werden nicht angerührt.
      Eiweißfasern können je nach Herstellung einen ganz unterschiedlichen Charakter haben. Man kann die Fasern auf verschiedene Weise formen, und dann fühlen sie sich auch unterschiedlich an. Man kann sich das so ähnlich wie bei Spritzgebäck vorstellen: Die Fasermasse wird durch Düsen gepresst, und die können ganz glatt sein, so dass ein ganz glatter Strang entsteht – dann ist auch die Faser glatt und fühlt sich kühl und fließend an. Oder die Düse hat einen gezackten Qerschnitt, dann kommt ein Strang mit lauter Längsfurchen heraus, die Oberfläche der Faser ist größer, sie hat mehr Volumen, dazwischen ist mehr Luft, wenn sie versponnen wird – dann ist das Garn bauschiger und fasst sich eher wie Wolle an. Bei Viskose ist das übrigens so ähnlich.

      Viele Grüße! Constanze

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