Baumwoll-Recycling (Podcast #029)

Aktualisiert am 14. März 2024.

Mehr als 20 % aller Textilien weltweit werden aus Baumwolle hergestellt, unter hohem Aufwand an Land, Wasser und Chemikalien. Um den Wertstoff Baumwolle länger im textilen Kreislauf zu halten, kommen zwei Recycling-Methoden zum Einsatz, eine mechanische und eine chemische. Wir unterhalten uns über die Schwierigkeiten beim Baumwoll-Recycling: Die Vielfältigkeit von Alt-Textilien, Mängel bei der Etikettierung von Textilien, und die hohen Kosten, die durch die manuelle Vorbereitung der Alttextilien für die Aufbereitung entstehen.

Fast alle großen Textilhersteller bieten mittlerweile Kleidung oder Stoffe aus oder mit recycelter Baumwolle an. Während die Wiederverwendung von Wolle für neue Stoffe schon seit Hunderten von Jahren praktiziert wird, wurden Alttextilien aus Baumwolle früher bestenfalls zu Papier weiterverarbeitet. In den letzten Jahren sind Technologien entwickelt worden, wie aus alter Baumwollkleidung wieder Fasern gewonnen werden können.

Als Ausgangsmaterial kommen dabei nur Textilien aus 100 % Baumwolle in Frage. Aus den gerade bei Kleidung häufigen Mischgeweben wie zum Beispiel Baumwollstoffen mit Elastananteil, werden in der Regel nur noch Dämmstoffe gemacht, denn der Kunststoff- und der Baumwollanteil lassen sich nicht mehr voneinander trennen. Aber auch bei reiner Baumwolle entsteht durch das Recycling eine schwächere, kürzere, minderwertigere Faser, die deshalb mit „frischen“ Baumwollfasern oder Polyester gemischt werden muss, um erneut zu Garn versponnen werden zu können. Bisher ist daher erst eine niederländische Firma in der Lage, T-Shirts komplett aus recycelter Baumwolle herzustellen.

Textilfasern aus recycelter Kleidung (Foto: Tony Webster from Minneapolis, Minnesota, United States, CC BY 2.0, Wikimedia Commons)

Für den Recyclingprozess beim mechanischen Recycling müssen zunächst alle Bestandteile der Kleidung, die nicht aus Baumwolle bestehen, abgetrennt werden: Knöpfe, Futter, Reißverschlüsse, Etiketten, Aufnäher, Beschriftungen. Für die meisten Kleidungsstücke ist dieser Prozess sehr aufwändig, daher konzentrieren sich viele Recyclingunternehmen auf einfache Kleidungsstücke wie T-Shirts, sowie auf Bett- und Haushaltswäsche als Ausgangsmaterial oder verarbeiten nur Reste aus der Textilindustrie, wo größere Mengen ein und desselben Materials anfallen. In der Regel geschieht die Aufbereitung von Altkleidern für das mechanische Recycling per Hand in Asien, wobei es auch Versuche gibt, das Sortieren und Zerteilen zu automatisieren.


Ungefärbtes recyceltes Garn aus Alttextilien (Foto: Ellen Sillekens, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons)

Der so vorbereitete Stoff wird anschließend in kleinere Stücke zerschnitten und kommt in den Reißwolf, eine Maschine mit lauter gezähnten Walzen, die den Stoff nach und nach zu Fasern zerreißen. Der Materialverlust ist bei diesem Prozess enorm: Etwa 40% der behandelten Textilien werden zu Staub oder unbrauchbaren Fasern von weniger als 5 mm Länge. Besonders bei Textilien, die schon oft gewaschen und getragen wurden, bleiben kaum Fasern übrig, die stark und lang genug sind, um erneut zu Garn versponnen zu werden.

Das chemische Recycling von Baumwollfasern ist eine ganz neue Recyclingmöglichkeit, die bisher erst von der schwedischen Firma Renewcell kommerziell angeboten wird. Dabei werden Textilien aus 100% Baumwolle geschreddert, mit Chemikalien aufgelöst, gebleicht und getrocknet. Die so entstehenden Celluloseplatten können als Grundstoff in der Viskose- und Lyocellproduktion verwendet werden. Sie ersetzen also den Rohstoff Holz durch den Rohstoff Alttextilien. So produzierte Viskose benötigt 90% weniger Wasser als herkömmlich produzierte Viskose.

Auch bei mechanisch recycelter Baumwolle ist die Umweltbilanz positiv: Sie ist nachhaltiger und verbraucht weniger Ressourcen als Bio-Baumwolle. Allerdings werden bisher nur geringe Mengen hergestellt: Der Dachverband FairWertung schätzt, dass von den 15 Kilogramm Kleidung, die jeder Mensch in Deutschland im Durchschnitt im Jahr aussortiert, weniger als 1 % wieder zu neuer Kleidung recycelt werden.

Quellennachweis: Das Beitragsbild zeigt Textilrecycling in Großbritannien 1942 („Old rags to new cloth“), Fotos von Richard Stone, Collections of the Imperial War Museums, Public Domain.

Kapitelmarken aufklappen

  • 00:01:22 mechanisches Recycling – Zerreissen
  • 00:02:50 Probleme: Ausgangsmaterial ist inhomogen, Etikettierung unzulänglich, feste Bestandteile müssen entfernt werden
  • 00:07:42 Abfälle aus der Textilproduktion sind als Ausgangsmaterial besser geeignet
  • 00:11:45 Der Prozess ist teuer, weil viel manuelle Vorarbeit erforderlich ist
  • 00:18:15 chemisches Recycling – Zellulose verwerten
  • 00:23:05 Kann ich das guten Gewissens kaufen?

Transkript aufklappen

Gabi

Wir wollen uns heute unterhalten über ein Recycling-Thema, und zwar geht es um das Recycling von Baumwolle. Sag mal was so beim Recycling von Baumwolle zu beachten ist, oder welche Varianten es da gibt und wie das Ganze vor sich geht.

Mechanisches Recycling

Constanze

Ja, im Grunde gibt es beim Baumwoll-Recycling zwei Varianten. Das ist einmal das mechanische Recycling. Das ist dann auch das, was man letztendlich, wenn man wieder eine neue Jeans oder ein T-Shirt kauft und da steht, dass es mit recycelten Baumwollgarnen gemacht ist, dann ist das dieses mechanische Recycling. Also da werden Baumwoll-Materialien wieder zerschreddert in so einem Reißwolf, also mit Trommeln, die Zähne haben, und die Stoffe immer feiner zerkleinern, sodass man wieder Fasern hat, die man verspinnen kann. Dieses mechanische Recycling ist auch ein Prozess, den es schon sehr lange gibt. Das wurde im Grunde im 19. Jahrhundert in der Papierproduktion auch schon so gemacht, dass man diesen Reißwolf hat, der alte Stoffe total klein zerkleinert. Also wirklich in eine sehr feine Masse zermahlt. Und heutzutage versucht man das so auseinanderzureißen, dass das zwar fein wird, aber dass es wieder Fasern sind, die man verspinnen kann zu neuem Garn.

Gabi

Ich denke mir, wir haben ja in der Baumwollfolge zum Beispiel auch besprochen, dass ja Baumwolle von vornherein relativ kurze Fasern hat. Also so vier, fünf, höchstens sieben Zentimeter, glaube ich, war das. Und wenn ich das jetzt zerreiße, dann kriege ich ja eigentlich noch kürzere Fasern raus. Das stelle ich mir schwierig vor, das dann zu verspinnen.

Probleme: Ausgangsmaterial ist inhomogen, Etikettierung unzulänglich, feste Bestandteile müssen entfernt werden

Constanze

Ja, da gibt es tatsächlich an ganz vielen Punkten Schwierigkeiten. Einmal ist es so, wenn man Altkleidung verwertet, dass das Ausgangsmaterial meistens vollkommen inhomogen ist. Man muss diese Kleidung sortieren. Man muss rausfinden: Was ist jetzt wirklich 100% Baumwolle? Das Meiste sind ja irgendwelche Fasermischungen mit Polyester oder auch mit Elasthan-Anteil zum Beispiel. Dann muss das sauber sein. Dann muss es so vorbereitet werden, dass andere Bestandteile – also Knöpfe, Reißverschlüsse, meistens auch die Nähte, weil das Polyestergarn ist und all das – , dass das vorher abgetrennt wird, bevor das in so einen Reißwolf kommt. Und das ist unheimlich schwierig, wenn man den Inhalt eines Altkleider Containers hat, der erst sortiert und dann verwertet werden soll. Und da kommt dann eine Fasermischung raus zum Schluss, wenn man das mechanisch recycelt, also zerreißt, die praktisch bei jeder Partie anders ist, und die dann erst beim Verspinnen wieder neu getestet werden muss.

Gabi

Ja, ich denke auch gerade, die meisten Baumwollsachen sind ja auch irgendwie gefärbt. Das heißt, da kann ja eigentlich gar kein weißer Faden rauskommen, wenn man das neu verspinnt, sondern das ist dann irgendwie eingefärbt wahrscheinlich und muss dann noch mal gebleicht werden, stelle ich mir vor. Oder?

Constanze

Ja, das passiert tatsächlich. Es gibt auch Recyclingbetriebe, ein paar Firmen, die dann mit der Ursprungsfarbe arbeiten, also wo das Ausgangsmaterial, wenn es Altkleider sind, erstmal sortiert wird nach Farben, sodass man Garn in einer bestimmten Farbe zum Schluss erhält. Aber das macht die Sache natürlich noch komplizierter.

Gabi

Und nicht nur komplizierter, weil man oft gar nicht weiß aus welchem Material ein Kleidungsstück besteht. Einerseits, weil die Etikettierung ja auch völlig unzulänglich ist und oft gar nicht stimmt, was da draufsteht. Falls das Teil überhaupt ein Etikett hat! Weil wenn ihr das so macht wie ich das oft mache, dann schneide ich das Etikett als erstes raus, weil ich es so unangenehm finde, gerade wenn es hinten am Hals kratzt oder so. Aber dann weiß ich halt, dann nehme ich auch die Möglichkeit, dass es beim Recycling leicht bestimmt werden kann, woraus das ist.

Constanze

Ja, genau. Weil man muss sich das ja vorstellen: Wenn die Altkleider sortiert werden, dass da tatsächlich Menschen, meistens Frauen, an irgendwelchen Tischen stehen, die Teil für Teil sich anschauen. Ich war hier in der Nähe von Berlin mal in einer Sortieranlage von Humana zu Gast und konnte mir das angucken. Also da wird natürlich daraufhin sortiert: Was kann man noch in den Humana-eigenen Läden in Deutschland verkaufen? Was könnte man in Osteuropa noch verkaufen? Was wird dann eher recycelt im Textilrecycling? Und da meinten die Sortiererinnen auch: Diese rausgeschnittenen Etiketten, das wäre ein größeres Problem. Das wäre für das Wiederverkaufen – das ist jetzt ein bisschen weg vom Baumwollrecycling – auch ein Problem, wenn man die Größe rausschneidet, zum Beispiel. Weil dann Teile ohne Größenangabe im Laden nicht richtig einsortiert werden können. Also lieber für die Recyclingfähigkeit des Kleidungsstücks das Etikett drin lassen.

Gabi

Ja, oder vielleicht kann man die Textilproduzenten auch dazu bewegen, dass sie es auf die eine oder andere Art und Weise eindrucken, vielleicht innen. Dass es nicht so furchtbar kratzt. Gerade hinten am Hals halte ich das oft ganz schwer aus. Wenn es seitlich ist, geht es noch eher, aber am Hals ist das furchtbar. Und manchmal ist es ja auch wirklich drauf gedruckt.

Constanze

Ja, das stimmt, bei T-Shirts und so. Wobei ich diese Seitenetiketten auch ganz fürchterlich finde. Die hängen entweder raus, weil sich das irgendwie nach außen kehrt, oder wenn man das Teil in Hose oder Rock reinsteckt, dann ist das wirklich gerade an der Seite, in der Taille, an so einer ganz blöden Stelle, wo es auch sehr kratzen kann.

Gabi

Das ist richtig.

Constanze

Und was du auch sagtest, die Zusammensetzung auf den Etiketten ist auch oft nicht zutreffend. Ich glaube, es gibt auch so einen gewissen Faseranteil, wenn das unter 2% oder so was ist, dann muss man das gar nicht unbedingt auf dem Etikett angeben.

Gabi

Ja, oder auch Ausrüstungen. Das ist bei normalen Baumwoll-T-Shirts wahrscheinlich nicht so der Fall. Aber es gibt ja Stoffe, die ein bisschen wasserabweisend sind oder sonstwas. Und da kann auch sein, dass 100% Baumwolle draufsteht. Aber im Grunde hat es dann noch eine Teflon-Beschichtung drüber, um wasserabweisend oder schmutzabweisend zu werden. Und das muss auch nicht angeführt werden. Aber das ist jetzt nicht bei Kleidung, das sind dann eher irgendwelche Möbelstoffe oder sogenannte Outdoor-Stoffe.

Abfälle aus der Textilproduktion sind als Ausgangsmaterial besser geeignet

Constanze

Ja, es gibt ja auch einen ganzen Recycling-Zweig, der sich nur mit dem Pr Consumer Waste beschäftigt, also mit Abfällen aus der Textilproduktion, die auftreten, bevor ein Kleidungsstück zum Kunden kommt. Also im Produktionsprozess. Aus diesen Resten aus der Textilproduktion – also zum Beispiel Reste vom Zuschnitt oder eben Garnreste, oder aus Webereien, Restbestände oder Abfälle, die dabei anfallen – daraus wird natürlich auch Baumwoll-Recycling betrieben. Da ist es dann ein bisschen einfacher, weil die Sachen meistens nicht verschmutzt sind und weil man meistens größere Partien von einem bestimmten Material hat, das dann recycelt werden kann. Man hat nicht eine Partie, wo dann jede Zusammensetzung wieder anders ist, sondern man hat dann eine größere Menge von einem Ausgangsrohstoff. Das macht die Sache ein bisschen einfacher, das dann auch im Reißwolf zu zerkleinern. Weil man eben weiß, wie es sich verhalten wird.

Gabi

Das ist also die eine Schiene, wo das mechanisch zerkleinert wird und dann aber die Fasern möglichst lang gelassen werden, damit man es wieder neu verspinnen kann, ohne dass es sonst irgendwie behandelt werden muss.

Constanze

Genau. Wobei zu der Faserqualität muss man sagen: Das ist natürlich nie wieder so wie mal die Ausgangs-Baumwollfaser war. Also es sind immer weniger hochwertige Fasern. Und es ist meistens auch so, bei Produkten mit Recycling Baumwolle, dass die Recycling Baumwolle höchstens 50% ausmacht, und das liegt auch an dieser kurzen Faserlänge. Also es gibt jetzt in den Niederlanden eine Firma, Circularity nennen die sich. Die sind in der Lage, tatsächlich Baumwoll T-Shirts komplett aus Recycling Baumwolle herzustellen. Die haben für diese Zerlegung eine besonders ausgeklügelte Technologie gefunden, wo sie dann wirklich relativ lange Fasern erhalten, sodass man da dann auch wieder ein richtiges Kleidungsstück draus machen kann. Aber in den meisten Fällen sind die Fasern, die entstehen, wirklich so kurz, dass man noch anderes Material dazu braucht. Also entweder Baumwolle oder vielleicht auch Polyester, um dann wieder Garn daraus zu machen, dass das haltbar genug ist.

Gabi

Das dann auch die nächste Wäsche aushält und nicht auseinanderfällt, wenn man nur schief hinschaut.

Constanze

Ja, genau. Und das ist durch diese kurzen Faserlängen immer etwas rauer und kratziger, diese Recycling Baumwolle als als neue Baumwolle. Weil diese Faser-Enden rausstehen. Und man muss auch sagen, dass diese Art des Recyclings, also dieses mechanische Zerreißen, dass das auch sehr ineffizient ist. Man hat sehr große Verluste, weil vieles dann einfach Staub ist, oder halt Fasern von unter fünf Millimeter, mit denen man im Spinnprozess nichts mehr anfangen kann. Und je benutzter der Ausgangsrohstoff ist, also je öfter das Baumwoll-Teil gewaschen wurde, was da reinwandert, umso weniger Ertrag hat man, was Fasern betrifft. Weil die Fasern im Kleidungsstück durch das Waschen schon so geschädigt sind, dass nach diesem Auseinanderreißen nur noch Staub übrig bleibt. Also es ist so was, was Material einsparen hilft und neue Baumwolle einsparen hilft. Aber so richtig effizient ist das nicht. Also in diesem Podcast „FairWertung“, den können wir in den Show-Notes verlinken, da wurde gesagt, dass bis zu 40% Materialverlust im Reißwolf auftreten.

Gabi

Wow, 40% ist ganz schön viel.

Der Prozess ist teuer, weil viel manuelle Vorarbeit erforderlich ist

Constanze

Ja, würde ich auch sagen. Auch die erschreckende Zahl übrigens, dass jeder Mensch in Deutschland 15 Kilo Textilien pro Jahr aussortiert, und dass weniger als ein Prozent davon zu neuer Kleidung recycelt wird. Obwohl 70% dieser 15 Kilo in der Altkleidersammlung landen. Also die Rückgabe-Quote über Altkleidersammlungen und so was ist eigentlich ziemlich gut in Deutschland, aber es gibt relativ wenig Möglichkeiten, daraus dann wirklich was zu machen. Was auch daran liegt, dass dieser Sortierprozess und diese Vorbereitung, wenn man eben Knöpfe, Reißverschlüsse und so was entfernen muss, dass das unglaublich teuer ist.

Gabi

Weil es menschliche mechanische Arbeitskraft verlangt? Weil das noch nicht so weit gediehen ist, dass es maschinell aussortiert werden könnte oder halt Maschinen erkennen könnten: W as ist das für ein Stoff! Was ist das für ein Ding? Und das alles entfernen.

Constanze

Das ist auch eine interessante Frage, weil dieses maschinelle Erkennen von Ausgangsrohstoffen fürs Recycling, das ist ja bei Verpackungsrecycling auch so ein Thema. Da wird auch ganz vieles nicht sortiert, weil es händisch sortiert werden müsste. Da gibt es inzwischen ganz ausgeklügelte Apparaturen, die verschiedene Plastiksorten, und das Metall raussortieren. Und da frage ich mich wieder: Da wir ja in der Textilproduktion allgemein so wenig vollautomatische Prozesse haben, ob es in der Textilproduktion jemals dazu kommen wird. Weil es ja immer der Faktor war, dass es bisher immer viel billiger war, solche Textilsachen irgendwo nach Asien auszulagern, wo Leute das für einen Hungerlohn machen. Sodass sich ausgeklügelte Apparaturen wie in der Autoindustrie zum Beispiel nicht lohnen.

Gabi

Weil das Material auch gar nicht so wertvoll ist wie diese ganzen Edelmetalle oder Kupfer, was ja in elektrischen Leitungen zum Beispiel in der Autoindustrie wiedergewonnen wird… Ach, das ist spannend! Es gab vor ein paar Tagen einen Artikel im Standard – eine österreichische Qualitätszeitung – , wo drinnen stand, dass sich auch in Asien jetzt die Leute schon langsam auf die Beine stellen, und ganz viele junge Leute einfach nicht mehr in diese Textilindustrie arbeiten gehen wollen. Es gibt ein paar wenige Vorzeigebetriebe, die jetzt auch so Mitarbeiter-Benefits eingeführt haben, also längere Pausen und Yoga-Kurse und ich weiß nicht was alles. Das sind noch nicht viele. Aber es scheint doch so zu sein/ und ich mag das auch, dass die ihre… Hilft mir: Wie heißt der deutsche Begriff für Agency? Dass die ihre eigene Agency entdecken. Also dass sie entdecken, dass sie selber mächtig sind, auch mit dem, wie sie sagen: So wollen wir nicht mehr arbeiten! Das scheint schön langsam zu kommen. Gott sei Dank. Und der Artikel sagt auch: Bisher wären die Nutznießer dieser billigen Kleidungsproduktion die Konsumentinnen und Konsumenten im Westen gewesen. Und ich denke mir: Öh… Wahrscheinlich waren die eigentlichen Nutznießer die großen multinationale Konzerne, die uns das verkaufen. Die uns das als Demokratisierung verkaufen, dass wir billige Kleidung kaufen können. Wie das ja auch Frau Lamprechter von „lieber wieder“ in der Podcastfolge von den Konsumdialogen in Hallein gesagt hat. Ein total schönes Zitat von ihr, das möchte ich hier wiederholen: es wird uns als Demokratisierung verkauft, dass wir ganz billige Kleidung kaufen können, aber halt auf dem Rücken von anderen ausgetragen. Kurzer Exkurs. Jetzt zurückzukommen: Es ging darum, dass es schwierig ist, das maschinell auszusortieren oder auch die Frage, ob es überhaupt dazu kommen wird, dass in diesem Bereich Maschinen eingesetzt und trainiert werden. Wir haben ja hier in Graz die TU Graz, also die Technische Universität, die teilweise ganz ausgeklügelte optische Systeme auch entwickelt haben, um eben verschiedene Materialien, gerade im Recycling, gerade in der Müllverwertung, rausfiltern zu können oder eben aussortieren zu können.Da gibt es automatische Sortiersysteme. aber ob das bei Textilien jemals der Fall sein wird, lassen wir uns überraschen.

Constanze

Ja, und dann eben der Vorbereitungsprozess, dass die Sachen vielleicht noch gewaschen werden müssen? Dass das so zerlegt werden muss, dass alles, was nicht Stoff ist, abgetrennt oder abgeschnitten wird. Da weiß ich auch nicht, ob das mal maschinell möglich ist. Also theoretisch sicherlich schon, aber ob das praktisch jemals eintreten wird. In der Praxis sieht das wohl jetzt auch so aus, dass vielfach Altkleider auch in Asien wieder zerlegt werden, in Handarbeit.

Gabi

Ja. Da kommen wir wieder zu diesem – ich schaue gerade in mein Regal, zu diesem Cradle-to-Cradle-Prinzip, das heißt von der Wiege zur Wiege. Das ein Designprinzip ist, wo sich Designer schon am Anfang des Produktes überlegen: Wie kann das dann auch wieder recycelt werden? Oder was passiert am Lebensende? Und da wäre es halt dann interessant, wenn solche Knöpfe und Reißverschluss auch ganz einfach wieder rauszutrennen wären, damit ich halt das Produkt am Ende gut recyceln kann. Was ich mich gerade frage: Du hast gesagt, es sind bis zu 40% Materialverlust, bei diesen Schreddern. Werden denn diese Verlust-Dingens und dieser Staub, wird das auch aufgefangen und dann in den zweiten Prozess, in diese chemische Verwertung eingeführt oder eher nicht?

Constanze

Das weiß ich leider nicht, wie das die einzelnen Firmen handhaben oder ob man da praktisch wieder Abfall hat. Aber vielleicht wird der Abfall wenigstens weiterverkauft, das ist ja in der Großindustrie meistens so.

chemisches Recycling – Zellulose verwerten

Gabi

Ja, weil du hast vorher gesagt, es gibt dann noch einen zweiten Prozess, der nicht mechanisch ist, mit diesem Zerreißen, sondern chemisch.

Constanze

Ja, genau. Und das ist ein relativ neues Verfahren, wo verschiedene Firmen auch dran forschen. Wo auch an der TU Chemnitz geforscht wurde, und in Schweden gibt es eine Firma, die das auch schon auf den Markt gebracht hat. Da wird Baumwoll-Stoffabfall, also meistens auch aus der Kleidungsproduktion, chemisch wieder aufgelöst, sodass man Zellulose frei erhält, aus der man Viskose oder Tencel machen kann. Und das ist eigentlich eine ganz gute Sache. Es braucht natürlich wieder auch Wasser und Chemikalien, aber jedenfalls weniger Wasser als Baumwollanbau. Und das Gute daran ist, dass die Viskosefasern, die man aus diesem Prozess erhält, hochwertiger sind als recycelte Baumwolle. Und man spart sich für die Viskoseproduktion, dass man Bäume oder anderes Material, das erst mal wachsen muss, anbauen muss, um das dann zu Zellulose zu verarbeiten. Also man nimmt im Grunde Reste, die sowieso vorhanden sind, und macht da noch was draus. Das ist eigentlich ganz klug. Das sind aber auch alles Projekte. Also wie gesagt, in Schweden gibt es da schon eine Firma, da heißt die Faser dann Circulose. Die sind aber auch noch ganz am Anfang. Die hatten jetzt zwei oder drei Kooperationen mit Bekleidungsherstellern, wo es dann einzelne Produkte gab, in denen dann ein Anteil von dieser Zirkulose-Viskosefaser drinnen war. Und das ist vom Volumen her – also von der Menge an Fasern und Garn, was da rauskommt – im Vergleich zu dem, was herkömmliche Baumwollproduktion ist, immer noch ein verschwindend geringer Bruchteil. Und das führt dazu, dass solche Fasern relativ teuer sind, nicht so richtig konkurrenzfähig. Also wenn es um Billigpreise geht, dann ist das nichts, was da mithalten kann. Das ist leider so. Auch wenn umwelttechnisch das natürlich viel, viel besser wäre, als konventionelle Baumwolle neu anzubauen, ist neu angebaute konventionelle Baumwolle immer noch günstiger als so eine ausgeklügelte Recyclingfaser.

Gabi

Ja, aber die ist ja auch nur so günstig, weil ganz schlechte Löhne bezahlt werden. Wird Baumwolle nicht auch subventioniert bis zu einem gewissen Grad, damit die so günstig sein kann?

Constanze

Das weiß ich nicht, wie das läuft. Also es ist sicherlich auch je nach Anbauland. Aber ja klar: Es ist halt Natur-Ausbeutung, Mensch-Ausbeutung. Aber wenn man vom Konsumenten aus denkt und darüber nachdenkt, dass viele Leute halt Klamotten nur nach Preis kaufen. Oder kaufen, weil es so billig ist. Dann haben solche Fasern natürlich nicht so die Chance.

Gabi

Ja, alles was ein bisschen teurer ist.

Constanze

Aber jedenfalls finde ich dieses Baumwollrecycling, wo man dann Viskosefasern draus erhält, wirklich recht interessant. Das scheint ziemlich zukunftsträchtig zu sein. Da gibt es ganz viele Firmen, die auf die eine oder andere Art daran arbeiten. Wird man sicherlich noch häufiger sehen.

Gabi

Weil im Grunde könnte ich sie auch kompostieren. Also alles, was Zellulosefasern sind. Solange ich weiß, dass das nicht noch chemikalisch belastet ist, könnte ich das eigentlich auch kompostieren und sagen: Okay, dann lass uns halt das wieder zur Erde machen, und aus der Erde machen wir wieder neue Fasern. Ist im Fall von Baumwolle ein bisschen schwierig, weil Baumwolle nur in südlichen Ländern wächst, wo es halt ganz viel Wasser braucht, das zum Teil dann auch für die Menschen nicht da ist, die eigentlich auch Wasser trinken müssten.

Constanze

Ja, und wenn ich da mal einhaken kann, mit diesem Kompostieren: Ich glaube, das stellt man sich aus Gärtnersicht immer so günstig und als Lösung für alle Probleme vor. Eine Recyclingexpertin, die in einem anderen Bereich arbeitet, hat mir aber mal gesagt, dass das eigentlich global gesehen auch gar nicht so vorteilhaft ist, weil bei Kompostierungsvorgängen wieder CO2 und Methan freigesetzt werden, also klimaschädliche Gase. Und es eigentlich besser wäre, Materialien, wenn sie einmal da sind, so lange wie möglich im Kreislauf zu halten. Also sie zu verwenden und sie nicht wieder gleich zu kompostieren. Also so im globalen Maßstab.

Kann ich das guten Gewissens kaufen?

Gabi

Okay. Wie siehst du das: Wenn irgendwo draufsteht „recycelte Baumwolle“? Kann ich das guten Gewissens kaufen als Konsumentin?

Constanze

Also ich würde schon sagen. Ja. Es ist einfach eine große Ersparnis an Wasser, Chemikalien, Bodenzerstörung gegenüber neuen Baumwollfasern. Es gibt da auch ein Zertifikat, das ist GAS, Global Recycelt Standard. Das ist so ein Label, das auch auf Etiketten stehen sollte. Da werden auch soziale und Umweltkriterien zertifiziert. Also das ist nicht nur eine Bestätigung, dass es sich tatsächlich um recycelte Fasern handelt, sondern dass in der Produktion auch ethisch vorgegangen wurde. Und Symbol ist eine Erdkugel mit diesen drei Recyclingpfeilen im Dreieck, die man von anderen Recycling Labels auch kennt. Und ich denke, wenn dieses Label da drauf ist, kann man sich ziemlich sicher sein, dass das auch tatsächlich umweltverträglich und sozialverträglich hergestellt wurde.

Gabi

Und dass ich das guten Gewissens kaufen kann.

Constanze

Und ansonsten immer schauen: Wie hoch ist der Recyclinganteil wirklich? Bei Bekleidungsketten hatten eigentlich alle jetzt schon so ein Programm mit ihren umweltverträglichen Recycling-Baumwolle T-Shirts, oder so was. Und dann muss man mal aufs Etikett schauen, weil meistens sind 10% Recyclingfasern drin oder so was. Also ganz, ganz wenig. Das ist dann auch mehr so eine Art Greenwashing, dass man eine schöne Werbekampagne machen kann, dass man jetzt ja auch Sachen aus recycelter Baumwolle anbietet. Und das hat dann nicht so viel Substanz.

Gabi

Und das hat im Gesamtumsatzvolumen dieser Firma dann einen Promilleanteil.

Gabi

Dann vielen lieben Dank! Ich glaube, das war ein schöner runder Abschluss für heute.

Constanze

Ja, kurz und knapp heute.

Gabi

Ja, ach, das macht ja gar nichts. Man kann ja mal eine kürzere Folge zwischendurch mal hören. Es muss ja nicht immer so ausführlich sein. Vielen lieben Dank für deine Recherche und für das Teilen deines Expertenwissens mit uns! Und ich freue mich auf unsere nächste Folge.

Constanze

Ja, also bis dann. Tschüss.

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4 Kommentare zu „Baumwoll-Recycling (Podcast #029)“

  1. Danke für den Einblick in die Welt des Baumwollrecyclings. Ich fand es interessant zu hören, dass im Reisswolf bis zu 40 % des Materials verloren gehen können.
    Diese Tatsache bestärkt mich, meine Kleidung so lange zu reparieren, bis gar nichts mehr geht und danach die noch intakten Teile des Textils weiter zu verwerten. Und dieses Wissen und Können auf meinem Blog für andere zugänglich zu machen.
    Ich freue mich schon auf eure nächste Folge!
    Liebe Grüsse Anja von Green Needle

    1. Avatar-Foto
      Gabriele Brandhuber

      Ja, krass, oder? Wobei ja aus dem, was im Reisswolf landet, vielleicht auch noch Füllmaterial oder so gemacht wird. Aber ich gebe dir völlig Recht: Je hochwertiger ein Kleidungsstück ist, je mehr ich darauf achte, repariere, und sein Leben verlängere, desto besser für mich und für die Umwelt. Danke, dass du so regelmäßig kommentierst! Schön ist das. Liebe Grüße, Gabi

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